Heft 
(2022) 113
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40 Fontane Blätter 113 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte 1 Meile von Metz , Lagerplatz unserer Truppen. Landwehr und branden­burgische Husaren. 33 Witterung und Stimmung bewegen sich im Gleichklang. Die Landschaft wird ›überschrieben‹, ›überzeichnet‹. Sie versinkt in Kriegs- und Militärku­lissen, die ihre Wirklichkeit werden. Und natürlich sind es»Eichen«, die dem»großen deutschen Kriegs=Mechanismus« geopfert werden müssen oder, so der Subtext, die sich der großen Sache opfern. Dennoch widersteht der Bericht vordergründiger Propaganda. Der Schreibende steckt seinem Wahrnehmen enge Grenzen. Auf die Rekons­truktion der Schlachten verzichtet er, fokussiert stattdessen deren Folgen und die wiederum aus dem Ausschnitt der eigenen Mission. Das schränkt ihn thematisch ein, lässt es aber erlaubt erscheinen, sich in der Rolle des Helfenden zu zeigen: in Selbstverständlichkeit, unter Verzicht, den»welt­historischen Einzug in Metz zu erleben« und einer Heroik, die mit schlich­tem Wortschmuck auskommt: Von nun an begann die anstrengende Thätigkeit und ich kam bis Montag Abend nicht mehr aus den Kleidern, welches aber gar nicht sagen will gegen das, was unsere Soldaten geleistet und gelitten haben.[] Ich habe keinen Moment geistigen oder körperlichen Mißbehagens gehabt. Wie leicht lernt man ein wenig Kälte, Hunger, Mangel an Schlaf ertra­gen. 34 Der Schrecken des Kampfes, in dessen unmittelbares Einzugsgebiet der Be­richt gerät, wird aus- oder doch weitestgehend weggeblendet. Das Erzähl­licht fällt auf die Lakritzspende für den Schwerverwundeten und streift nur den Verlust des Auges sowie des zerschossenen linken Arms. 35 Das Klischee lauert bei dieser Berichtweise überall, da Erfahrenes es zu beglaubigen scheint. Die ›Wirklichkeit‹ setzt es gewissermaßen in Kraft und erlaubt sei­nen Gebrauch als Bezeugtes. Der Bezeugungswille schlägt sich dabei nicht selten in einer darstellerischen Sonderheit nieder: dem Einschub von Dialo­gen. Dann wird der Erzählgang eingeengt auf den Augenblick und gerät ins Szenische. Das Geschick dieses wechselvollen Berichtens, das sich nur auf den ers­ten Blick kongruent zum gerade erlebten Geschehen bewegt, ist selbst wechselvoll. Da keine stilistische Feile den Bericht glättet und die jeweiligen Umstände den Schwung der Feder beeinflussen, da der Blick einmal auf die Macht der Gegebenheiten gerichtet ist und dann wieder allmächtig auf die eigene Person fällt, gewährt die Lektüre Authentisches. Das Ich frischt in regelmäßigen Abständen das Bild seiner Unternehmung auf und platziert darin sein Selbstbild(etwa das des Fontane-Nachforschers oder des profes­soralen Kriegsverletztenpflegers). Doch gleichzeitig individualisiert es sich durch das Notat von unmittelbar Erlebtem. Erst durch diese Eigenart be­hauptet Eggers´ Bericht seinen Wert, erst dadurch ist es gewinnbringend,