Heft 
(2022) 113
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Fontanes Übersetzung von Catherine Gore  DAprile 51 versehen und einem geänderten und um mehrere Kapitel erweiterten Schluss beim bekanntesten Londoner Unterhaltungsliteratur-Verleger Col­burn. 11 Als sie ihren Roman veröffentlichte, war Gore bereits eine der be­kanntesten und erfolgreichsten Autorinnen ihrer Zeit. 1799 in eine nordeng­lische Kaufmannsfamilie in Retford geboren, wurde sie nach ihrem Tod 1861 in einem Nachruf der größten und wichtigsten englischen Tageszei­tung The Times zur»best novel writer of her class and the wittiest woman of her age« 12 geadelt kein geringes Lob angesichts einer an großen Roman­Autorinnen wie Charlotte und Emily Brontë , George Eliot , Harriet Marti­ neau , Elisabeth Gaskell und vielen anderen wahrlich nicht armen Zeit. In­dem sie die Plots, Konflikte und Familienkonstellationen Jane Austens aus der Welt des britischen Landadels in die großstädtische Szenerie der Londo­ ner Metropole verlegte(manchmal sogar mit einem von Austen entlehnten Personal) stieg sie ab den 1820er-Jahren schnell zur unangefochtenen »Queen of the Silver Fork Novel« oder»Queen of the Fashionable Novel« auf, wie die Gattung zeitgenössisch und mit durchaus gender-spezifisch abwer­tender Absicht von männlichen Schriftstellerkollegen genannt wurde(die männlichen Autoren schrieben»Dandy Novels«). 13 Mit großer Detaildichte schildert Gore in ihren Sozialromanen der ›guten Gesellschaft‹ ironisch und satirisch den Konsumrausch und die Modesucht oder in ihren originellen Wortschöpfungen die»shopocracy« und den»surfaceism« der Londoner High Society und Upperclass des viktorianischen Regency(1819–1837). 14 Man kann sich ihre Romane in Szenerie und Erzählweise durchaus als Vor­gänger-Format der weltweit erfolgreichsten Netflix-Serie des Jahres 2020 Bridgerton vorstellen. 15 Den rasant expandierenden und sich internationali­sierenden literarischen Massenmarkt der Feuilletonromane, Leihbibliothe­ken(»circulating libraries«), Literaturzeitschriften und Taschenbuchreihen bediente sie so mit immer neuen Stories rund 70 Romane wurden es insge­samt. Was die Zahl von Veröffentlichungen und Auflagen ihrer Romane be­trifft, konnten in der Zeit um 1830 nur Walter Scott und James Fenimore Cooper mit ihr konkurrieren. 16 1831 hatte sie zudem mit ihrer Komödie Die Schule der Gefallsüchtigen(The School for Coquettes) für das Theaterereig­nis der Saison gesorgt. Auch als Komponistin tat sie sich hervor. Ihre Verto­nungen von Robert Burns´ Gedichten trugen dazu bei, dass diese im 19. Jahr­hundert zu Volksliedern geworden sind. 17 Während die oft vor allem der Selbstaufwertung dienenden Kommenta­re zu Gores Romanen von männlichen Schriftstellerkollegen wie William Hazlitt (»Macassar Oil, Eau de Cologne , Hock and Seltzer Water, Otto of Roses, Pomade Divine glance through the page in inextricable confusion, and make your head giddy« 18 ) oder William Thackeray in seiner Gore-Paro­die unter dem Titel Lords and Liveries . By the Authoress of»Dukes and De­jeuners«,»Hearts and Diamonds«,»Marchionesses and Milliners« etc., etc. dazu beitrugen, dass Gore als vermeintlich triviale Unterhaltungsautorin