Heft 
(2022) 113
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Fontanes Übersetzung von Catherine Gore  DAprile 53 (1808–1879), die auch bei anderen zeitgenössischen Literaten wie Charles Dickens oder Benjamin Disraeli thematisiert wurden. 22 Erzählt wird die Geschichte des Geldverleihers Abednego Osalez nach dem Modell des französischen Mystery- und Abenteuerromans. Halb Graf von Montechristo , halb Nathan der Weise tritt der Titelheld anfangs nur als mysteriöser und gleichermaßen gefürchteter wie verachteter Dunkelmann A.O. in den von antisemitischen Stereotypen wimmelnden Salongesprä­chen der Londoner Adelswelt auf. Erst nach und nach entpuppt er sich als der einzig solide Ökonom, der seinen Schuldnern an moralischer und intel­lektueller Integrität weit überlegen ist und dessen Motive sich erst aus der in den drei Schlusskapiteln nacherzählten familiären Vorgeschichte erhel­len. Hier klären sich die Verbindungen zwischen den verschiedenen Prota­gonisten des Romans, dem Geldverleiher Abednego Osalez, dem jungen Londoner Gardeleutnant Basil Annesley und der verarmten Familie des deutschen Künstlers Verelst, der mit seiner Frau Rahel und seinen Töchtern Salome und Esther als politischer Emigrant vor den Demagogenverfolgun­gen im Anschluss an die Karlsbader Beschlüsse nach London flüchten musste. Das alles spielt sich vor dem Hintergrund eines schillernden Groß­stadtpanoramas ab, zu dem die prunkvollen Stadtvillen und glänzenden Empfänge der Grafen von Maitland und Herzoge von Rochester oder die Büro- und Bankenwelt der Londoner City ebenso gehören wie bedrückende Polizeigefängnisse und die dunklen Gassen und Abrisshäuser des East End. Zusammengehalten wird das die Stadt prägende Figurenpanorama von»Bettlern, Auktionatoren, Dandys, Polizisten, Opernsängern und mü­ßiggängerischen Lords« wie Jürgen Kaube in seiner kenntnisreichen Be­sprechung des Romans feststellt»weniger durch Kapital und Arbeit als durch Schulden«. 23 Der Roman steht damit zusammen mit Balzacs gleichzei­tigen Werken am Anfang einer Reihe literarischer»Kreditfiktionen« des europäischen Realismus. 24 Dass Gores Money-Lender bei alledem erstaun­licherweise vor Alexandre Dumas Conte de Montecristo (erschienen von August 1844–Januar 1846 im Journal des Débats) und Eugène Sues Mys­tères de Paris (Juni 1842–Oktober 1843 ebenfalls im Journal des Débats) und dem Juif errant(Juni 1844–Oktober 1845 in Le Constitutionnel) geschrieben und veröffentlicht wurde, verweist auf die in der Zeit und ihren medialen Entwicklungen liegenden Stoffe, Genres und Erzählmuster. 25 Auch wenn Plot und Erzählweise von Gores Roman einschließlich des harmonisierenden Happy End letztlich in den eingefahrenen Bahnen der Unterhaltungsliteratur bleiben und dessen moralisierende Antisemitis­muskritik im Unterschied etwa zu Fanny Lewalds kurze Zeit später ge­schriebenem Roman Jenny von 1843 selbst nicht frei von Stereotypen ist, bleibt die politische Absicht des Romans noch heute erkennbar: 26 von Lady Annesleys antisemitischem Hassausbruch im vierten Kapitel, als Basil