Heft 
(2022) 113
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Fontanes Übersetzung von Catherine Gore  DAprile 57 den aus dem Garderegiment werden in den preußischen Militärton transpo­niert, wenn ihnen in jedem zweiten Satz die Floskel»auf Ehre« in den Mund gelegt wird, für das sich im Original außer einem manchmal hingeworfenen »Ay« keine Entsprechung findet. Aber auch die Verballhornungen des Jiddi­schen, die Fontane Abednegos Gehilfen zuschreibt, gehören hierzu. Verwei­se auf zeitgenössische literarische Werke, Orte oder kulturelle Ereignisse in Gores Roman werden durch Beispiele aus dem deutschen Erfahrungsraum ergänzt zu den Londoner Unterweltgrößen gesellt sich etwa ein Rinaldo Rinaldini aus Christian August Vulpius´ Erfolgsroman. Schließlich ließe sich auch Fontanes Übertragung des Titelworts»Money Lender« zum altertüm­licheren»Pfandleiher« als Reminiszenz an die weniger kapitalistisch ausge­prägten deutschen Verhältnisse erklären. Dass Fontane gerade dieser Roman unmittelbar angesprochen hat und er bis ins hohe Alter darauf beharrte, dass es sich um»eine sehr gute Erzäh­lung« 35 handele, zeugt von seinem früh ausgeprägten Gespür für literari­sche Formen und Erzählstoffe, die sein späteres Romanwerk auszeichnen. Nicht zufällig übersetzt Fontane einen ausgesprochenen Großstadtroman, in dem die Abgründe der vermeintlich ›guten Gesellschaft‹ thematisiert werden. Schon in seinem ›ersten Roman‹ wählt Fontane zudem einen Stoff, bei dem hinter der»schauderösen Ähnlichkeit« der immer gleichen Liebes­geschichten des Unterhaltungsmarktes das»gefährlich Politische« lauert, das ihn auch bei seinen späten Romanen vor allem interessierte. 36 In einem Lexikon-Eintrag zu Catherine Gore in Lorcks Frauen der Zeit von 1862 hebt Fontane in ähnlicher Hinsicht die»weltliche Klugheit« und das»Geist- und Witzsprühende« hervor,»das ihre Bücher zu einer anregenden und belieb­ten Unterhaltungslectüre« in der Manier der»Meister des modernen franzö­ sischen Romans« 37 werden lasse. Als er den Gore-Roman entdeckte, be­schäftigte ihn das Antisemitismus-Thema auch persönlich. Sein wichtigster Freund und erster literarischer Förderer aus Leipziger Tagen, der russisch­jüdische Autor Wilhelm Wolfsohn , war in seiner Liebe zur protestantischen Tischlertochter Emilie Gey ähnlichen Diskriminierungen wie Abednego Osalez ausgesetzt, bevor er in der kurzen Phase der liberalisierten Gesetz­gebung der Revolutionszeit 1848/49 endlich heiraten konnte. 38 Wie immer man die Eigenarten von Fontanes Übertragung im Einzel­nen deutet, verweist sie zuallererst auf die Genese von Fontanes spezifi­schem Realismus im literarischen Unterhaltungsmarkt westeuropäischer Prägung. Weit mehr als seine akademisch sozialisierten literarischen Zeit­genossen von Gustav Freytag bis zu Friedrich Spielhagen aber im Ein­klang mit den notgedrungen ebenfalls nicht akademisch sozialisierten Au­torinnen seiner Zeit weigerte er sich, eine kategorische Ständeschranke zwischen dem Unterhaltungsroman und der sogenannten ›hohen Literatur‹ zu errichten. Höchstes»Roman-Ideal« blieb ihm, wie er unter dem Eindruck seiner Zola-Lektüre einmal gegenüber seiner Frau Emilie bemerkte, letzt-