Fontanes Übersetzung von Catherine Gore D’Aprile 57 den aus dem Garderegiment werden in den preußischen Militärton transponiert, wenn ihnen in jedem zweiten Satz die Floskel»auf Ehre« in den Mund gelegt wird, für das sich im Original außer einem manchmal hingeworfenen »Ay« keine Entsprechung findet. Aber auch die Verballhornungen des Jiddischen, die Fontane Abednegos Gehilfen zuschreibt, gehören hierzu. Verweise auf zeitgenössische literarische Werke, Orte oder kulturelle Ereignisse in Gores Roman werden durch Beispiele aus dem deutschen Erfahrungsraum ergänzt – zu den Londoner Unterweltgrößen gesellt sich etwa ein Rinaldo Rinaldini aus Christian August Vulpius´ Erfolgsroman. Schließlich ließe sich auch Fontanes Übertragung des Titelworts»Money Lender« zum altertümlicheren»Pfandleiher« als Reminiszenz an die weniger kapitalistisch ausgeprägten deutschen Verhältnisse erklären. Dass Fontane gerade dieser Roman unmittelbar angesprochen hat und er bis ins hohe Alter darauf beharrte, dass es sich um»eine sehr gute Erzählung« 35 handele, zeugt von seinem früh ausgeprägten Gespür für literarische Formen und Erzählstoffe, die sein späteres Romanwerk auszeichnen. Nicht zufällig übersetzt Fontane einen ausgesprochenen Großstadtroman, in dem die Abgründe der vermeintlich ›guten Gesellschaft‹ thematisiert werden. Schon in seinem ›ersten Roman‹ wählt Fontane zudem einen Stoff, bei dem hinter der»schauderösen Ähnlichkeit« der immer gleichen Liebesgeschichten des Unterhaltungsmarktes das»gefährlich Politische« lauert, das ihn auch bei seinen späten Romanen vor allem interessierte. 36 In einem Lexikon-Eintrag zu Catherine Gore in Lorcks Frauen der Zeit von 1862 hebt Fontane in ähnlicher Hinsicht die»weltliche Klugheit« und das»Geist- und Witzsprühende« hervor,»das ihre Bücher zu einer anregenden und beliebten Unterhaltungslectüre« in der Manier der»Meister des modernen franzö sischen Romans« 37 werden lasse. Als er den Gore-Roman entdeckte, beschäftigte ihn das Antisemitismus-Thema auch persönlich. Sein wichtigster Freund und erster literarischer Förderer aus Leipziger Tagen, der russischjüdische Autor Wilhelm Wolfsohn , war in seiner Liebe zur protestantischen Tischlertochter Emilie Gey ähnlichen Diskriminierungen wie Abednego Osalez ausgesetzt, bevor er in der kurzen Phase der liberalisierten Gesetzgebung der Revolutionszeit 1848/49 endlich heiraten konnte. 38 Wie immer man die Eigenarten von Fontanes Übertragung im Einzelnen deutet, verweist sie zuallererst auf die Genese von Fontanes spezifischem Realismus im literarischen Unterhaltungsmarkt westeuropäischer Prägung. Weit mehr als seine akademisch sozialisierten literarischen Zeitgenossen von Gustav Freytag bis zu Friedrich Spielhagen – aber im Einklang mit den notgedrungen ebenfalls nicht akademisch sozialisierten Autorinnen seiner Zeit – weigerte er sich, eine kategorische Ständeschranke zwischen dem Unterhaltungsroman und der sogenannten ›hohen Literatur‹ zu errichten. Höchstes»Roman-Ideal« blieb ihm, wie er unter dem Eindruck seiner Zola-Lektüre einmal gegenüber seiner Frau Emilie bemerkte, letzt-
Heft
(2022) 113
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten