Heft 
(2022) 114
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26 Fontane Blätter 114 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte see,»den Rentsch in Globsow«, ist er gut unterrichtet. Allerdings hat sie damit wenig Erfolg, nicht nur Rentsch zweifelt an seiner Vaterschaft, Dubs­lav selbst weist auf verräterische Unterschiede zwischen dem mittlerweile zehnjährigen blonden Mädchen und dem»schwarzen Kerl« hin. Der Bu­schen zufolge ist Karline auch nicht auf einen Versorger angewiesen:»se brukt em oik nicht« eine nebulöse Bemerkung angesichts der allgemein desolaten Situation erwerbstätiger Mütter in der Zeit und womöglich eine der Alten selbst nicht bewusst zurechenbare Anspielung auf verdeckte Un­terhaltszahlungen. 26 Der Umstand, dass Karline sich trotzdem seit länge­rem um den Anschein familiärer Ordnung bemüht, hängt wiederum mit der prekären rechtlichen Situation zusammen, in der sie sich als erwerbstä­tige, unverheiratete Mutter befindet. IV. In dem knappen Gespräch zeichnet sich in groben Umrissen eine Fallge­schichte zur problematischen Lage unehelicher Kinder ab, und zwar genau so wie sie zur Entstehungs- und Publikationszeit des Romans in den juristi­schen Diskussionen um deren unklare Rechtsstellung geführt wurde. An­lass dazu gab die große Rechtsreform zur Vereinheitlichung und Moderni­sierung des zersplitterten Zivilrechts des 19. Jahrhundert, die in das 1900 in Kraft tretende Bürgerliche Gesetzbuch mündete. 27 Die hierzu angefertigten familienrechtlichen Entwürfe sahen»mittelbar das Interesse der Gesell­schaft« darin, uneheliche Kinder,»welche sonst nur zu leicht dem Elend und der Verwahrlosung preisgegeben sind und auf die Bahn des Lasters gerat­hen[], rechtlich nicht auch von der Familie der Mutter auszuschließen«. 28 Begründet wurde der für diese Zeit ungewöhnlich liberale Vorschlag mit dem Hinweis auf die Dringlichkeit der sozialen Problematik, die Rex ver­geblich am Tisch erörtert wissen wollte. Vorsorglich war dieser juristische Vorstoß der Experten mit einer Bekräftigung der strikt patriarchalischen Ausrichtung des Familienrechts verbunden: Berücksichtigt man die große Zahl unehelicher Kinder, berücksichtigt man, daß destruktive Elemente vornehmlich aus den Kreisen solcher Personen hervorgehen, welche von der Familie ausgeschlossen sind, so erscheint es als Aufgabe und Pflicht der Gesetzgebung, auch auf dem Gebiet des Zivilrechtes der Vermehrung des Proletariats entgegenzu­treten, sollte auch der Eintritt des unehelichen Kindes in die mütterliche Familie den Anschauungen in einzelnen Ständen weniger entsprechen. Der Rücksicht auf die Heiligkeit und die hohe Bedeutung der Ehe wird aber schon dadurch in ausreichendem Maße Rechnung getragen, daß das uneheliche Kind zu dem Vater und dessen Familie rechtlich in keine Verbindung tritt. 29 Ein Kind ist nicht über das Prinzip der Abstammung, sondern nur über das zusätzliche Kriterium der Ehelichkeit mit dem Vater verwandt, mit der Mut-