Heft 
(2022) 114
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44 Fontane Blätter 114 Dossier: Fontanes Fragmente entwürfen angelegt ist. Dazu sei zunächst ein kurzes Schlaglicht auf die bildhaft-szenische Dimension von Fontanes Schreiben und narrativer Ge­staltung geworfen. Vom Bild zur Bewegtheit Fontane ist nicht nur ein Meister des Erzählens, sondern auch der visuellen Gestaltung im Medium Sprache. Wegmann nennt ihn gar einen»Bilder­fex«, einen Enthusiast des Visuellen . 8 Bei Fontane erscheinen in der Tat Text und Bild, Diskursivität/Dialogizität und Bildhaftigkeit aufs Engste mitein­ander verwoben. Charakteristische Gesprächssequenzen, wie sie sich in Fontanes Romanen und nicht zuletzt den Fragmenten finden, belegen sein feines Ohr für das Typische wie das Eigentümliche alltäglicher Kommuni­kationssituation in einer zugleich urban-modernen und von»Un/Gleichzei­tigkeiten« geprägten Gesellschaft. 9 Zugleich lässt sich mit Wegmann sagen, dass Fontane »mit dem Auge« schrieb und zwar mit einem Auge, das»sich an den neuen Bildmedien umgebildet[hat], die während seiner Lebenszeit fortlaufend entstanden.« 10 Fontanes Erzählweise fungiert in ihrer Bildhaftigkeit, ihrer kunstvollen Blicklenkung und Inszenierung von visuellen Wahrnehmungsvorgängen als eine Schule des Sehens das hat Nora Hoffmann an den Wanderungen durch die Mark Brandenburg(1862–1889) und verschiedenen Romanen ­Fontanes anschaulich herausgearbeitet. 11 In Fontanes strategischem Ein­satz des Visuellen im Erzählen kommt dabei dem mnemotechnischen Kon­zept der sogenannten imagines agentes eine Schlüsselfunktion zu, wie Weg­mann unterstreicht. 12 Das in der römisch-antiken Gedächtniskunst entwi­ckelte Konzept der markanten, ›theatralen‹ Bilder, 13 die dank ihrer stark auf affektive Wirkung angelegten Gestaltung das detailgenaue Memorieren auch komplexer Szenerien und Zusammenhänge ermöglichen, erweist sich auch in der modernen Rhetorik und der Literatur des langen 19. Jahrhun­derts als produktiv. 14 In Fontanes Werken dient das ›bewegte Bild‹ immer wieder als Mittel der narrativen Blick- und Aufmerksamkeitslenkung, der Handlungsstruk­turierung sowie der Gestaltung räumlicher Settings und Figurenkonstella­tionen. In den Fragmenten erscheinen die imagines agentes als eine Art Formatierung von Szenen, die im»Arsenal der Möglichkeiten« gespeichert und je nach Bedarf im Schreibprozess als kompositorische Elemente her­vorgeholt werden können. Eine pointierte Reflexion der Strategie des ›be­wegten Bildes‹ findet sich in den Impressionen und Essays in Form des kur­zen poetologischen Textes Die Kunst des Erzählens(F I, 429). Beim Erzählen, so führt Fontane hier zunächst aus, laufe es im Wesentlichen»auf dasselbe hinaus wie beim Drama und wer Menschen zu schaffen und diese geschaf-