»Was wird er damit machen?« Aust 83 Problematische Passung Es liegt nahe, Fontanes Umgang mit dem»Dönniges-Stoff« als einen Prozess der fiktionalen Überformung oder gar Verfremdung zu bezeichnen. Die Figurenkonstellation wird zwar übernommen, aber die Namen von Anfang an anonymisiert. Handlungsabläufe bzw. ihre Motivierung werden unter der Hand verändert: Wenn der erste Held»fällt«, muss das nicht im Duell geschehen, und wenn der zweite Held wegen»Spielschulden«»durchbrennt«, wandert er nicht aus, wie es der Mann der Vorlage(mit seiner Geliebten) tut. Zeit und Ort des Geschehens werden so verlagert, dass es um das Schicksal ganz anderer Menschen gehen wird. Der»Dönniges-Stoff« scheint immer unkenntlicher zu werden. Wird aber ein» Frl. v. D. « angesichts der vermehrten Erscheinung Nora-ähnlicher Figuren nicht immer aktueller? Oder wenn das zu weit gegriffen ist: George Merediths nächster Roman nach The Tragic Comedians wird Diana of the Crossways(1885) sein und eine Figur aus dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts in den Mittelpunkt rücken, die trotz anderer Stoffvorlage möglicherweise geeigneter wäre, mit Helene von Dönniges verglichen, viel mehr noch ihr gegenübergestellt zu werden. Dem Nora-Vergleich widerspräche ohnehin der im ›Programm‹ enthaltene Kommentar, dass die zeiträumliche Zurücksetzung besser zum Dönniges-Stoff»passe«(es sei denn, dass ›Jungdeutsches‹ zum Zuge hätte kommen sollen). So dienen die von der Gegenwart abrückenden Veränderungen einem besseren, historisch angemessenen Verständnis dessen, was der Stoff birgt, und alle Veränderungen kontrafaktischer, fiktionaler Natur betreiben eine Art Wiederherstellung dessen, was eigentlich schon im Nachmärz zeittypisch begonnen hat und sich nur verspätet in der Vorzeit des ersten ›deutschen Einigungskrieges‹ und weit darüber hinaus abspielen wird. Ein Grundzug des Fontaneschen Realismus? Mancherlei gibt Fontanes zurechtgerückter»Dönniges-Stoff« zu denken.»Wàrum, wàrum«( Im W’schen Hause, F I, 384) hat er nichts damit gemacht? Was bleibt? Können weit auseinanderliegende Details, Bruchstücke und Leerstellen geradezu simultan zusammengefügt werden, dass sie ein wenn auch noch so imaginäres Ganzes ergeben? 66 Noch am 16. März 1897 hätte Fontane in Ber lin seiner»L’Imperatrice« begegnen können, als Otto Brahm »mit Schewitsch und Racowitza« dinierte; 67 aber an diesem Tage quälte ihn noch immer ein»richtiges cerveau enrhumé« 68 , das nähere Erkundungen oder gar Kontakte eher ausschloss.
Heft
(2022) 114
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