Heft 
(2022) 114
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»Was wird er damit machen?« Aust 83 Problematische Passung Es liegt nahe, Fontanes Umgang mit dem»Dönniges-Stoff« als einen Pro­zess der fiktionalen Überformung oder gar Verfremdung zu bezeichnen. Die Figurenkonstellation wird zwar übernommen, aber die Namen von An­fang an anonymisiert. Handlungsabläufe bzw. ihre Motivierung werden unter der Hand verändert: Wenn der erste Held»fällt«, muss das nicht im Duell geschehen, und wenn der zweite Held wegen»Spielschulden«»durch­brennt«, wandert er nicht aus, wie es der Mann der Vorlage(mit seiner Ge­liebten) tut. Zeit und Ort des Geschehens werden so verlagert, dass es um das Schicksal ganz anderer Menschen gehen wird. Der»Dönniges-Stoff« scheint immer unkenntlicher zu werden. Wird aber ein» Frl. v. D. « ange­sichts der vermehrten Erscheinung Nora-ähnlicher Figuren nicht immer aktueller? Oder wenn das zu weit gegriffen ist: George Merediths nächster Roman nach The Tragic Comedians wird Diana of the Crossways(1885) sein und eine Figur aus dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts in den Mittel­punkt rücken, die trotz anderer Stoffvorlage möglicherweise geeigneter wäre, mit Helene von Dönniges verglichen, viel mehr noch ihr gegenüber­gestellt zu werden. Dem Nora-Vergleich widerspräche ohnehin der im ›Programm‹ enthal­tene Kommentar, dass die zeiträumliche Zurücksetzung besser zum Dönni­ges-Stoff»passe«(es sei denn, dass ›Jungdeutsches‹ zum Zuge hätte kom­men sollen). So dienen die von der Gegenwart abrückenden Veränderungen einem besseren, historisch angemessenen Verständnis dessen, was der Stoff birgt, und alle Veränderungen kontrafaktischer, fiktionaler Natur be­treiben eine Art Wiederherstellung dessen, was eigentlich schon im Nach­märz zeittypisch begonnen hat und sich nur verspätet in der Vorzeit des ersten ›deutschen Einigungskrieges‹ und weit darüber hinaus abspielen wird. Ein Grundzug des Fontaneschen Realismus? Mancherlei gibt Fonta­nes zurechtgerückter»Dönniges-Stoff« zu denken.»Wàrum, wàrum«( Im Wschen Hause, F I, 384) hat er nichts damit gemacht? Was bleibt? Können weit auseinanderliegende Details, Bruchstücke und Leerstellen ge­radezu simultan zusammengefügt werden, dass sie ein wenn auch noch so imaginäres Ganzes ergeben? 66 Noch am 16. März 1897 hätte Fontane in Ber­ lin seiner»LImperatrice« begegnen können, als Otto Brahm »mit Sche­witsch und Racowitza« dinierte; 67 aber an diesem Tage quälte ihn noch im­mer ein»richtiges cerveau enrhumé« 68 , das nähere Erkundungen oder gar Kontakte eher ausschloss.