Heft 
(1991) 51
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eingeladen zu werden. Dieser Zeuthener Kreis ist eine Fontane-Gesellschaft in nuce, und ich sehe in ihm das Vorbild für die Gestaltung von Ortsgruppen in allen deutschen Regionen. Dies scheint mir eine unserer größten Aufgaben zu sein. Wir wollen überall Ortsgruppen haben. Fontane ist nicht mehr nur der Berliner oder märkische Dichter, der er zum Teil noch in den dreißiger Jahren war. Er hat jetzt seine Leserschaft, seine Forscher, seine Herausgeber, seine Verleger überall in Deutschland. Und überall, wo es kleine Gruppen von Fontane-Interessenten gibt, sollten sich Sektionen bilden und ausweiten. Mün­chen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Westfalen - da sitzen sie ja alle, die Editoren, die Verleger, die Forscher, die Liebhaber und noch in vielen anderen Gegenden. Mancher von ihnen wird heute unter uns sein, wir wollen nicht nur ihre Mitgliedschaft, wir wollen ihre aktive Hilfe bei der Er­richtung von Sektionen.

Ich muß noch einmal auf die Rolle zurückkommen, die das Fontane-Archiv für die Entwicklung der Forschung gespielt hat. Wie ich schon sagte, ist das Archiv zum Mittelpunkt der Forschung geworden. Nach dem schwierigen Wiederaufbau, der vor allem dem langjährigen ersten Leiter, Joachim Schobeß, zu danken ist, kam zur Erhaltung und Erweiterung die Deutsche Staatsbibliothek zu Hilfe. Daß es aber einen so prominenten Platz in der Forschung einnimmt, deren Ent­wicklung mit der Entwicklung des Archivs Hand in Hand ging, ist vor allem dem persönlichen Einsatz aller Leiter des Archivs zu verdanken. Es ist hier nicht der Ort, eingehend über die vielfältigen Forschungsergebnisse zu sprechen. Das würde Stunden dauern. Aber zu erwähnen ist die riesige Editionsarbeit, die in den 60er Jahren begann und zu 3 großen Werkausgaben führte. Sie bildete die Grundlage für die vielen literatur-kritischen Arbeiten, die jetzt erschienen und die zahlreichen Monographien. Das wichtigste Ergebnis aber ist, daß Fon­tanes dichterische Bedeutung erst voll und ganz in den letzten Jahrzehnten er­kannt wurde und daß er erst jetzt, in unserer Zeit, weltliterarische Bedeutung erlangt hat. Das bedeutete, daß sich Forscher aus vielen Ländern mit Fontane zu beschäftigen begannen und daß das Archiv auch eine Stätte internationaler Begegnung wurde. Ich denke an die verschiedenen Tagungen, die hier statt­fanden, deren Teilnehmer aus vielen Ländern kamen, aus England, Irland, Frankreich, Holland, Italien, Polen, Schweiz, den USA und Australien. Möglich, daß ich einige vergessen habe. Es sind so viele hier gewesen. Dadurch ist eine weltweite Gemeinschaft entstanden denn die Fontane-Forscher halten zusam­men - und eine oft nicht leicht zu bewältigende Korrespondenz! Die künftige Fontane-Gesellschaft hat also überall ihre trading posts - ihreHandelsstatio­nen" - wie früher das Britische Empire. Hoffen wir, daß sich diese outposts der Fontane-Forschung zu auswärtigen Sektionen ausweiten werden. Sie werden eine große Aufgabe haben. Denn wenn auch Fontanes Romankunst, als zur Weltliteratur gehörig, Anerkennung gefunden hat, so hat er doch keineswegs die weltweite Verbreitung erreicht wie viele seiner englischen, französischen oder russischen Zeitgenossen. Wir dürfen uns da keinen Illusionen hingeben. Die ausländischen Germanisten kennen ihn, vielleicht auch einige Literaten und Journalisten. Übersetzungen haben in den letzten Jahren zugenommen, aber

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