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würdig, ja auch ein Fontanesches Ebenbild, und das „ weite Feld." erinnert uns etwas an Fontanes ambivalente Aussprüche, die uns gelegentlich irritieren, weil wir ihn so gern in einer Kategorie unterbringen wollen: Vormärzler, 48er Revolutionär, Konservativer, ein in Wolle gefärbter Preuße und Kritiker des Preußentums und seiner Gesellschaft. Und alles das war er wirklich. - Aber auch der alte Briest paßt nicht in unsere Zeit und zwar wegen des „ weiten Feldes". Das geht nicht, wir leben in einer harten Zeit - aber welche Zeit wäre nicht hart - und man muß Stellung nehmen können und sich entscheiden. Hätte der alte Briest nicht immer nur vom „weiten Feld' gesprochen, hätte Effi nicht zu sterben brauchen. Als er ihr endlich schrieb „Elfi komm!", war es schon zu spät.
Sie sehen, wir sind in Verlegenheit bei unserer Suche nach einem Schutzpatron unter den männlichen Protagonisten Fontanes. Wer von diesen käme für uns in Frage? Meine Herren, ich wende mich an Sie, denn wir Frauen mögen voreingenommen sein oder Feministinnen. Wer von den Männergestalten in Fontanes Romanen kommt denn nun in Frage? Keiner wirklich. Sie müssen es zugeben.
Da sind doch die Frauengestalten anders. Wir sehen natürlich ab von den unerfahrenen und verwundbaren, die der Gesellschaft zum Opfer fielen, wie Cecile, Effi oder Stine. Aber Melusine kommt uns in den Sinn, diese Frau, die die Brüchigkeit ihrer Zeit durchschaut und ein klares Bild von der Zukunft hat. Sie kennen ja alle ihre Worte: „Es ist nicht nötig, daß die Stechline weiterleben, aber es lebe der Stechlin." In der Forschung wird immer so sehr das Melusinen- hafte bei ihr betont, ich sehe in ihr aber vor allem eine moderne Frau, die in unserer modernen Gesellschaft eine sehr wesentliche Rolle zu spielen hat. Doch zögere ich auch bei ihr. Sie will das Eis nicht aufbrechen, und wir brauchen Mut in unserer Zeit - zu allen Zeiten. - Wir wollen weitersehen, wer da noch ist: Mathilde Möhring ist nicht zu verachten, sie hat zwar nicht den Charme der anderen weiblichen Gestalten, aber sie hat den praktischen Sinn, den wir brauchen, und sie meistert das Leben, das auch für sie nicht leicht ist. - Dann sind da noch Sophie und Manon, die beiden jüngeren Poggenpuhl-Töchter, wit ihren Kenntnissen und Talenten. Es sind sympathische Gestalten. Manon ist überall beliebt, vor allem in Bankiershäusern, auch in jüdischen; es gelingt ihr, ihre Schwester Sophie dort einzuführen, um den jungen Nachwuchs dieser Bankiers mit den Anfängen irgendeiner Kunst oder Wissenschaft bekannt zu machen. Hier haben wir das Praktische und Pragmatische, verbunden mit Wissenschaft und Kunst, was wichtig ist. Sie passen sich hinein in die neue Zeit, weil sie common sense haben und die Vorurteile ihrer Klasse abgelegt haben. Aber sie sind zu jung für uns, ebenso wie die kluge, tapfere und selbständige Lene Nimptsch. Wir brauchen eine reifere, stattliche Gestalt.
Alle diese Menschen, die ich genannt habe, lebten in einer Übergangszeit. Fon- tane ist der Romancier einer Übergangszeit, in der die wirtschaftlichen wie die gesellschaftlichen Strukturen sich veränderten. Und seine Romane setzen sich m it den Problemen auseinander, die dem Individuum aus dem Übergang vom
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