Alten zum Neuen erwachsen. Wirtschaftlich, wie in den Poggenpuhls oder gesellschaftlich, wenn es um die dem Individuum zugeteilte Rolle in der Gesellschaft geht, vor allem um die der Frau. Und wie subtil ist seine Darstellung, seine Analyse der Zeit; in jedem Satz, in jedem kleinen Gespräch. Man muß seine Romane immer wieder lesen, jedesmal entdeckt man Neues. Es ist mir aufgefallen, daß fast alle unsere jetzigen Historiker, die das späte 19. Jahrhundert behandeln, sich auf Fontanes intuitive Erfassung seiner Zeit stützen. Was für eine wunderbare Bestätigung seines Dichtertums.
Man sollte vorsichtig sein, Vergleiche zwischen Perioden verschiedener Jahrhunderte herzustellen, aber da wir nun mal bei Fontane sind, so scheint mir sein Roman, der die Gründerjahre behandelt und die Polarisierung von Besitz und Bildung zum Thema hat, noch einen gewissen Bezug zu unserer Zeit zu haben. Mancher von uns empfindet eine Kluft zwischen dem Wohlstand, den unsere Entrepreneure uns geschaffen haben und unseren kulturellen Belangen. Ich spreche aus meiner Erfahrung in England, wo wir von einer enterprise culture sprechen. - Konflikte wie in Irrungen, Wirrungen sind überwunden: Lene Nimptsch würde heute ihren Botho heiraten können. Irgendwo steht uns aber der Roman der Gründerjahre, Frau Jenny Treibel, noch nahe. Und in diesem Teil Deutschlands kann man ja sogar von neuen Gründerjahren sprechen; allerdings erst in ihren Anfängen. Der Wohlstand muß noch kommen. Aber wir sind zur Stelle und gründen auch. Und so finde ich nun auch in diesem Roman die stattliche Gestalt, die unsere Schutzpatronin werden könnte: Frau Jenny selbst. Aber warum? werden Sie mit einigem Erstaunen fragen. Sie ist doch, wie Wili- bald Schmidt sagt, ein Musterstück von einer Bourgeoise. Und das will doch keiner von uns sein! Aber ich sehe es anders.
Wir wollen einen literarischen Verein gründen. Dazu brauchen wir, wie ich schon gesagt habe, Geld. Das Literarische allein tut es nicht. Und Frau Jenny ist diejenige, die uns den Weg zeigt, denn sie hat es geschafft, Geld und Poesie zu verbinden. Früh hat sie in dem Materialwarenladen ihres Vaters gelernt, mit Geld umzugehen, aber sie hat sich gleichzeitig, wie sie sagt, an Gedichten herangebildet, denn der Himmel hat ihr das Herz für das Poetische gegeben. Sie hat einen reichen Industriellen geheiratet, aber ist der Poesie treu geblieben. Wenn sie nun aber sagt „ Gold ist nur Chimäre", so nehmen Sie das bitte nicht zu ernst. So was sagt man oder singt man: „. Was soll Gold, ich liebe Rosen" Aber man meint es nicht. Und wenn sie auch Poesie in etwas zu engem Sinne nimmt und auf das Gedicht und Lied einschränkt, so hat schließlich auch Fontane viele Gedichte geschrieben, die jetzt vollständig in drei großen Bänden vor uns liegen. Und seine Prosa hat Musikalität, wie Thomas Mann uns schon vor langem bezeugt hat. Und präsentieren kann Frau Jenny auch, und das ist wichtig. Wenn unsere Vereinigung bei den Jahresversammlungen ihre Festessen haben wird, so werden wir Frau Jenny in unserer Imagination in vollem Glanze bei uns präsentieren sehen — auf einem untergeschobenen Luftkissen in einer dominierenden Stellung zwischen uns sitzend - genau wie bei dem Diner, das sie in ihrer Villa in der Köpenicker Straße zu Ehren ihres englischen Gastes 14