Heft 
(1991) 51
Seite
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Fontane beschäftigte sich vom 27. Mai bis zum 9. Juni 1879 mit denReiter­bildern". Vielleicht hängt es mit einer Terminabsprache zusammen, daß er sich nicht mehr als 14 Tage für die 17 kleinen Bilder gab oder geben konnte, viel­leicht wollte er auch dieser Aufgabe nicht mehr Zeit opfern. Selbstverständlich war sie auch nur dadurch zu bewältigen, daß der Dichter, ganz unabhängig von Brachvogels Vorleistungen, über umfassende materielle Voraussetzungen ver­fügte als einer der besten, mit ungewöhnlichen Detailkenntnissen ausgerüsteten Kenner der preußisch-deutschen Geschichte, die er ja bereits vielfältiger künst­lerischer Gestaltung unterworfen hatte. Viele Helden der Vergangenheit waren dem Dichter deshalb wohlvertraut, und man kann ihnen schon in den frühen Balladen oder in den späterenWanderungen" begegnen. Dennoch war nichts davon einfach zu übernehmen. Das Schustersche Projekt verlangte wegen seiner Grenzen, daß der Dichter neue Formen suchen mußte, wenn er jeder dieser Persönlichkeiten Leben einhauchen, Farbe geben wollte.

Er setzte sehr unterschiedliche Mittel ein: den Bericht, die Episode, die Anek­dote, er zitierte aus historischen Quellen wie Memoiren oder Briefen, er gab Selbstzitate, führte aber auch polemische Auseinandersetzungen mit den Quel­len, er meldete Zweifel an, äußerte Vermutungen, wendete sich gegen historisch ungerechtfertigte Urteile, verschwieg nicht Bedenkliches, vermied aber natürlich jede Anklage. Er improvisierte, und man spürt häufig, daß er mit seinem Hel­den selbst keineswegs fertig ist oder daß er, wie im Falle Friedrichs II., in anderen Lebensbildern nachholt, was er vorher einer Gestalt schuldig geblieben zu sein meinte. Insofern stellen diese Lebensbilder sogar eine nicht zu tren­nende Einheit dar.

Die Zeitgenossen mußte Fontane natürlich anders behandeln, vorsichtiger und deshalb auch unbeteiligter. Hier überwiegt bei weitem der bloße Lebensbericht von lexikalischer Nüchternheit, insbesondere bei solchen blassen Randfiguren wie Werder und Goeben, deren Bilder er schon einmal imBiographischen Lexikon" 31 gegeben und für den vorliegenden Zweck einfach übernommen hatte.

Es kann also gar nicht davon die Rede sein, daß Fontane hier ein bestimmtes literarisches Genre hätte pflegen wollen oder können. Keines dieser Lebensbilder ist ein abgerundetes literarisches Portrait, allenfalls eine Skizze. Sie erlauben keine klare Einordnung, erheben kaum oder nur sehr bedingt auf künstleri­schen Rang Anspruch und entziehen sich damit auch jedem entsprechenden Ver­gleich. Es wäre kein großer substantieller Verlust, auf dieReiterbilder' zu verzichten, wollte man über die Männer der Geschichte aus der Sicht Fontanes etwas wissen. Nicht viel anders liegen die Dinge, wenn man umgekehrt durch sie etwas über Fontane erfahren wollte. Aber es ist doch immerhin nicht ganz unwichtig festzustellen, daß der Dichter auch und gerade in dieser Ausgabe jede Glorifizierung eines spezifischen Preußentums, des Militärischen, des vor­dergründig Patriotischen vermieden und die Aufmerksamkeit vielmehr auf das Menschliche gelenkt hat, sei es, daß er, der seine Sympathie ungleich verteilte, sie besonders einfach gebliebenen Männern wie Gneisenau und Blücher schenkte, in deren Haltung sich immer auch Gesinnung ausdrückte, sei es, daß er sie mit

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