ihren Widersprüchen und Schwächen vorstellte wie im Falle des Generals von Seydlitz, sei es schließlich, daß er auch Problematisches und sogar Tiefproblematisches wenigstens andeutete wie im Falle Friedrichs II. und seines Bruders, des Prinzen Heinrich und seines eigenen Zeitgenossen, des Prinzen Friedrich Karl.
Fontane selbst hat die „Reiterbilder" als geschlossenes Werk nie wieder erwähnt und sein Sohn sie nicht in die „Gesammelten Werke" aufgenommen. Erst in der Nymphenburger Fontane-Ausgabe sind die Texte wieder zu finden. Die Mitherausgeberin Charlotte Jolles sah sich aber doch veranlaßt, ihre Übernahme mit künstlerisch-formellen wie informellen Argumenten ausdrücklich zu verteidigen. 32
Mit der Gestalt Bismarcks sah sich Fontane gewiß vor die schwierigste Aufgabe gestellt. Wie sollte er sich auch äußern? „Tadel ist Blasphemie, Lob ist Impertinenz". Der Dichter gab diese "wundervolle Wendung" 33 eines Herrn v. Biowitz, um sein eigenes Dilemma dem Gegenstand gegenüber auszudrücken. Wie weit Brachvogel eine Vorarbeit geleistet haben mochte, entzieht sich unserer Kenntnis. Sollte etwas vorhanden gewesen sein, so ist es vom Dichter jedenfalls restlos verworfen worden, da er sich auf eine andere, durchaus geeignete Vorlage besann. Die Zeitschrift „Die Gegenwart" hatte nämlich in ihrem Augustheft von 1878 unter dem Titel „Fürst Bismarck in der englischen Presse" 34 einen Aufsatz übersetzt und abgedruckt, den sie in einem sehr namhaften englischen Magazin gefunden hatte. Nachdem ihn Fontane gelesen hatte, schrieb er an seine Frau: „Der längere, aus ,Blackwoods Magazine' genommene Artikel über Bismarck ist so gut, wie ich auf diesem Gebiete lange nichts gelesen habe. . .. Ich denke mir, daß inhaltlich das meiste von Bücher herrührt und daß Herr v. Biowitz ihn geschrieben hat. Dieser Herr v. B„ ein ganz eminenter Kerl, ist Times-Korrespondent in Paris, war aber während des Kongresses von der Times hierher geschickt worden und hatte bei dieser Gelegenheit mehrfach Gespräche mit Bismarck .. ," 35
Fontane gab sich allerdings mit dieser Vorlage nicht zufrieden, sondern zog auch noch das englische Original aus „Blackwoods Magazine' 36 heran, kam aber gerade durch die intensivere Beschäftigung mit dem Text zu einem anderen Urteil über dessen Verfasserschaft. So lesen wir in einem der Forschung bisher unbekannten Briefe an eine ebenfalls unbekannte Dame: „Im Beifolgenden, mein gnädiges Fräulein, erlaub ich mir Ihnen auszugsweise den Essay über Fürst Bismarck zuzustellen. Die vielen Blau- und Rotstiftstriche, überhaupt das schlechte Exterieur der ganzen Nummer, wollen Sie gütigst entschuldigen. Es ist wenigstens handlich und liest sich immer noch um vieles besser als die Bismarck-Biographie, die ich, unter Zugrundelegung dieses englischen Aufsatzes, Zu sammengestoppelt habe. So viel ich damals hörte, galt Herr v. Biowitz ... als der Verfasser: in diesem Augenblick hege ich aber starke Zweifel, daß diese Annahme richtig ist. Biowitz ist eben Times- Correspondent, und es scheint mir gewagt zu glauben, daß er auch noch Zeit gefunden habe, einen 36 Spalten langen Artikel für Blackwoods-Magazine zu schreiben. Ist es Biowitz nicht, s o würd' ich, alles erwogen, auf Beecher rathen; er schreibt gut englisch.
85