Heft 
(1991) 51
Seite
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fende Struktur genauer betrachtet: Seine Geschichten sind von Herkunfts- und Abstammungsrätseln bestimmt (die im übrigen gleichermaßen aus der Roman­tradition wie aus der tatsächlichen Biographie ihres Autors herrühren); Väter und Söhne, Erzieher und Zöglinge, Verlobte und Bräutigam werden getrennt, leben jahre- und jahrzehntelang in entferntesten Weltgegenden (vorzugsweise diesseits und jenseits des Ozeans ...) - und finden am Ende doch meist glück­lich zusammen. Diese Familienzusammenführungsmaschine ist die eigentliche utopische Klammer der Möllhausenschen Romane: am Ende entsteht .Familie', nachdem alle Rätsel gelöst, alle Geheimnisse aufgeklärt, alle Abenteuer bestan­den sind. Eine Welt ohne Rätsel, also eine, in der die Entfremdung des Men­schen in der neuformierten Schutzgemeinschaft .Familie' wieder aufgehoben wird, ist die literarisch gestaltete und immer aufs neue variierte Glücksvorstel­lung Möllhausens«

Dennoch behält natürlich auch im Rahmen dieses Modells Amerika noch ein Gutteil seines traditionell-utopischen Gehalts. Die meisten Familien finden nun­mal dort zueinander, und wo nicht, ist doch der vorübergehende Aufenthalt einiger Protagonisten in Amerika die unabdingbare Voraussetzung für das fami­liäre Happy end. Die Romane erklären - in ihrer Sprache - auch, warum dies so ist: Amerika ist das Land der Abenteuer, der Reise, der körperlichen Be­währung; Europa dagegen eher Schauplatz von Intrige und Geheimnis, Stagna­tion in Städten und Dörfern, intellektueller Bewährung. Was aber Familien aus­einanderzureißen vermag, entstammt eher den Feldern intellektueller Bosheit, ist mehr Geheimnis als Abenteuer, ist mithin gebunden an Europa; Amerika, als Land der Freiheit, bietet demgegenüber auch hier Freiheit: die Befreiung von der Intrige.

Fontane übernahm zunächst diesen utopischen Gehalt. Immer wieder wird Ame­rika schon im Deutschlandteil vonQuitt" angesprochen: Lehnert Menz, sein Protagonist, pflegt in den Kneipenvon Freiheit und Republik und dem glück­lichen Amerika' 57 zu schwadronieren, ganz dem (Goetheschen) DiktumAme­rika, du hast es besser" ergeben. Lehnert verachtet den preußischen Untertanen­geist, er lehnt sich auf gegen Bevormundung, Schurigelei durch Vorgesetzte und Klassendenken.Es ist mir alles so klein und eng hier, ein Polizeistaat, ein Land mit ein paar Herren und Grafen, wo wie unserer hier, und sonst mit lauter Knechten und Bedienten." 58 Der Förster Opitz, den er am Ende des Deutsch­landteils erschießt, verkörpert nicht nur für Lehnert - diesen altpreußischen Obrigkeitsstaat. Er ist Angestellter und devoter Bediensteter des Grafen der Gegend; ein Vertreter vonRecht und Ordnung", der schon beim Militär ein Schleifer war und nun auch im Zivilleben von seinem ehemaligen Untergebenen selbstverständliche Unterordnung verlangt. Opitz hält sich füreine Stütze von Land und Thron' 59 und hat fatalerweise Recht damit.

Möllhausens Held Gustav Wandel ausDie Mandanen-Waise' (1865) - einem der bekanntesten und wohl auch besten Romane des Autors - ist ein etwas verbummelter, schwärmerischer Bonner Student. Er beteiligt sich an der politi­schen Kleinrevolte des Frankfurter Wachensturms im Jahre 1833 (von Möllhau-

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