von dessen Roman „Die Reiher" (1876) finden sich zwei Rassen, zwei Religionen, mindestens drei Nationalitäten und drei Generationen in einer Familie vereint - ein wahrhaft globaler Völkerbund. Ähnlich in der „happy family", in die Fontanes Lehnert vorübergehend aufgenommen wird: dort sind fünf Religionen und fünf Nationalitäten friedlich vereint. 67
Doch die Unterschiede sind ebenso deutlich. Das Geheimnisschema, bei Möll- hausen - in Nachfolge des romantischen Geheimnisromans (Tiecks „Sternbald', Jean Pauls „Unsichtbare Loge", Hoffmanns „Fräulein v. Scuderi' etc.) und in Vorläuferschaft des späteren Detektivromans - immer wieder Verknüpfungsmöglichkeit zweier Welten, findet bei Fontane keine Anwendung. Zwar stört Lehnert in Amerika ein „Umgebensein von Geheimnissen', 68 doch bezieht sich dies ganz vorwiegend auf die Gestalt des Revolutionärs l'Hermite. Systematische Nachforschungen von .Detektiven' oder Detektionsfiguren, mit deren Hilfe sich deutliche Schauplatzwechsel und ihre innere Verknüpfung entschieden zwangloser motivieren ließen, kommen bei Fontane nicht vor. Offensichtlich war dem Autor ein solcher Kniff, den auch viele Kritiker Möllhausens immer wieder als .grell' und kolportagehaft empfanden, ästhetisch suspekt. Sein bekanntes Urteil über Wilkie Collins wie auch Fontanes eigene literarische Praxis bestätigen dies. Allein im Roman „Cecile' verwendet Fontane dezent die Möglichkeit des analytischen Erzählens: Gordon erfährt in Briefen das Vorleben der Titelgestalt; die Tatsache, daß dies erst nach und nach, analytisch erzählt, geschieht, bewirkt den tragischen Ausgang wesentlich mit. In der Struktur des Erzählens liegt hier mithin die Lösung des Romans bereits vorgezeichnet.
Hauptverbindungsmittel der beiden Teile in „Quitt' ist dagegen die Parallelkonstruktion, häufig mittels Motivdoppelung oder -Wiederholung: Der Förster Opitz (Deutschlandteil) sühnt mit seinem Tod die eigene überharte Strenge, Lehnert (Amerikateil) sühnt mit seinem Tod den früheren Totschlag. Wie Opitz sucht auch später Lehnert im Todeskampf, mühselig kriechend, unter Zweigen Schutz vor der Kälte; 69 beide erleichtern sich ihr Sterben, indem sie sich die Jagdtasche unter den Kopf schieben, 70 beide schreiben im Sterben ihre letzten Worte nieder,- 71 Opitz vergibt darin seinem Mörder, dieser hofft damit auf Vergebung. - Parallelkonstruktion und Motivanspielungen sind als Integrationstechnik für Fontanes gesamtes Romanschaffen von zentraler Bedeutung; sie tragen erheblich zu den subtilen Reizen der meisten seiner Romane bei. Nur für diesen Roman mußte eine solche Technik durchaus unzureichend bleiben. Nach der Entscheidung für die Zweiteiligkeit des Romans, also für eine deutliche, ja geradezu .didaktisch' anmutende Gegenüberstellung zweier Lebens- und Handlungsbereiche, hätte der Autor sich auch einer Erzählmethode bedienen müssen, deren textintegrative Signale mindestens ebenso deutlich zu setzen waren. Dafür bot sich im Horizont der Zeit eigentlich nur eine - wie auch immer gestaltete - analytische Konstruktion an. Daß Fontane den erzähllogischen Zusammenhang zwischen seiner Formentscheidung und der Verknüpfungsweise nicht erkannte, ist mithin die Ursache der allgemeinen .Schieflage' von „Quitt* und letztlich wohl auch für den Mißerfolg des Romans. 72
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