Heft 
(1991) 51
Seite
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SCHRIFTSTELLER DER GEGENWART UBER THEODOR FONTANE

Helga Schütz, Potsdam

Dem Beschreibungsstoff zuliebe...

Ein paar Wochen hatte ich die Antwort vor mir hergeschoben. Doch mir blieb nichts anderes übrig, ich mußte mich endlich erklären. Ich schrieb einen Brief. Beim Argumentieren half ich mir mit Fontane. Es ging um eine Reise, zu der ich von einer guten Freundin eingeladen worden war. Sie plante eine Fahrt nach Spanien. Ich sollte mich anschließen. Man müsse sich auch mal was gönnen, mal weg von allem. Abschalten. Ausspannen. Das war gut gemeint. Doch mir war das eine zwiespältige, ja immer mehr eine schreckliche Vorstellung. Mit dem Reisen, schrieb ich, gehe es mir wie Theodor Fontane. Er habe sich nur gerne aufgemacht, wenn das Unternehmen einen .brillianten Beschreibungsstoff" ab­werfe. Dieses Fontane-Bekenntnis hatte ich einmal im Anhang zum Kapitel »An Bord der Sphinx" im BandSpreeland' derWanderungen durch die Mark Bran­denburg' gelesen.

Man kann in Fontanes Briefen und Anmerkungen viele Hinweise finden, die belegen, wie sich Reiseeindrücke nicht nur in den Reisebüchrn sondern auch in seinen Romanen niedergeschlagen haben. Bekanntestes BeispielEffi". In einem Brief an Hans Hertz beschreibt er, wie ihm im Zehnpfund-Hotel in Thale, als er bei Sonnenuntergang nach der Rohtrappe hinauf sah, ein englisches Ge­schwisterpaar auf dem Balkon erschienen war, Dissenterkinder, heiter plaudernd. Das Mädchen etwa 15 Jahre alt, in einem Hängerkleid aus blauweih gestreiftem Kattun, Ledergürtel und Matrosenkragen.

.Ich glaube, daß ich für meine Heldin keine bessere Erscheinung und Einklei­dung finden konnte, und wenn es nicht anmaßend wäre, das Schicksal als etwas einem für jeden Kleinkram zu Diensten stehendes Etwas anzusehn, so möchte ich beinahe sagen: das Schicksal schickte mir die kleine Methodistin.'

Das Schicksal brauchte Hilfe und Schutz.

Die Familie, Frau Emilie und Tochter Mete, konnten Fontane diesen Schutz auf Reisen gewähren. Auch Fremde störten ihn nicht. So schloß er, wie überliefert ist, oft und gerne während seiner Reisen und Sommerfrischen Bekanntschaften.

Ich versuchte meiner Freundin zu erklären, welche Bedingungen es braucht, um unterwegs oder gar in der Fremde mit sich eins zu sein. Ich blieb bei Fontane, für mich selber wußte ich es nicht. Nur eins wußte ich, Spanien brauchte ich grade nicht - höchstens insofern ich auf alles einigermaßen neugierig bin. Doch das Leben reicht nicht für die ganze Welt und mein Geld gleich gar nicht...

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