REZENSIONEN
Gunhild Kübler: Die soziale Aufsteigerin. Wandlungen einer geschlechtsspezifischen Rollenzuschreibung im deutschen Roman 1870-1900. - Bonn: Bouvier Verlag Herbert Grundmann 1982 (== Studien zur Germanistik, Anglistik und Komparatistik, Bd. 108). 114 S.;
Jutta Skarke: Zeitgeschichte in den Romanen Theodor Fontanes. Die Frauenfrage. Magisterarbeit. — Neustadt an der Aisch 1989, Manuskriptdruck. 101 S.
(Rez.: Peter Görlich, Potsdam)
Die künstlerische Reflexion der sogenannten »Frauenfrage', d. h. der Emanzipation der Frau mit ihren Möglichkeiten, Widerständen, sozialen Bedingtheiten und Notwendigkeiten, aber auch mit ihren Irr- und Abwegen, all das ist seit Jahrzehnten ein bevorzugter Gegenstand germanistischer Hauptprüfungen, Seminarreferate und -arbeiten und bietet sich auch als Thema für das Diplom- und Promotionsverfahren an. Die beiden vorliegenden Arbeiten von Kübler und Skarke, die erste eine Dissertationsschrift, die zweite eine Magisterarbeit, erweitern die Reihe bestehender Untersuchungen nicht nur um einige belanglose Bemerkungen. Sie setzen interessante, nachdenkenswerte Akzente, über die hier zumindest ansatzweise informiert werden soll.
In gewisser Hinsicht bildet die Untersuchung Küblers zur sozialen Aufsteigerin im deutschen Roman zwischen 1870 und 1900 den Rahmen für die spezifische Darstellung der Frauenfrage in Fontanes Romanen von Skarke. Es ü berrascht daher aber doch etwas, daß die 7 Jahre früher erschienene Arbeit Küblers von Skarke offenbar nicht zur Kenntnis genommen wurde. Dabei bietet gerade der umfassende, vielschichtige und diskursive Charakter der Küblerschen Studie eine hervorragende Grundlage für auf einzelne Autoren orientierte Detailstudien, wie sie von Skarke mit ihrer Magisterarbeit offeriert wird.
Ausgehend von der übergeordneten Fragestellung nach der Rolle der Frau in der Literatur des 19. Jahrhunderts und dem - von der Verf. nicht nachgewiesenen - Unbehagen der Frau über ihr Bild in der Literatur wird von Kübler aus dem breiten Spektrum der Frauenfiguren ein ganz bestimmter Typus herausgegriffen: die soziale Aufsteigerin in der Metaphorik zwischen
Aschenputtel und Ilsebill. „Die soziale Aufsteigerin erschien als besonders ergiebige Präsentationsfigur. Assoziierte mädchenhafte Grundmuster ließen einen Spannungsbogen ahnen, der von der stillen Demut bis zum rasant sich steigernden sozialen Ehrgeiz von Ilsebill, der Fischersfrau, reicht.' (S. 1) Daran
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