exemplifiziert. Dem Roman liegt eine künstlerische und weltanschauliche Intention zugrunde, .die Unterschiede als solche zu erhalten' (S. 22).
Es folgt die Analyse jener Texte, die den Mythos vom sozialen Aufstieg permanent destruieren: .Am Kulminationspunkt des Aufstiegsprozesses steht nicht die Lebenserfüllung der Aufsteigerin im adeligen bzw. bürgerlichen Milieu, sondern Aschenputtels Tod, wenn nicht gar ihr Selbstmord.' (S. 23) In diesem Kontext werden Wilhelm Raabes .Der Schüdderump' und Gottfried Kellers .Das Sinngedicht' einer genaueren Betrachtung unterzogen, wobei hier die Untersuchung etwas verflacht, da einerseits der Text mit zu langen Inhaltspassagen überfrachtet wird, andererseits sich hier auch einige sehr pauschale und undifferenzierte Urteile breitmachen, so z. B., wenn die Romane als Ausdruck des .totalen Pessimismus' (S. 25) eines Schopenhauer gekennzeichnet werden. Das trifft in dieser Verallgemeinerung weder auf Raabe noch auf Schopenhauer zu.
Weitaus Überzeugenderes bietet die Verf. im Abschnitt III, dessen Zentrum die Analysen zu Fontanes .Frau Jenny Treibel' und .Unterm Birnbaum' bilden und der mit zwei aufschlußreichen Exkursen illustriert wird, die sich erstens der .Ungleichzeitigkeit' der Frauengestalten im Roman des bürgerlichen Aufstiegs (S. 36 ff.) und zweitens den Degenerationsformen des bürgerlichen Aufsteigers in Heinrich Manns »Im Schlaraffenland' (S. 49 f.) widmen. Kübler zeigt sehr eindringlich die dem selbstinszenierten Aufstieg der Frauenfiguren zugrunde liegende Ambivalenz zwischen der objektiv notwendigen Absage an das genuin weibliche Tugendideal und der verstärkten Beförderung des Scheins eines derartigen Ideals.
Die unter der Überschrift »Demaskierung bourgeoisen Aufstiegsstrebens' im Abschnitt III tiefgreifend erfolgende Analyse des Romans .Frau Jenny Treibel' bildet den eigentlichen Höhepunkt der Arbeit Küblers. Fontanes Frauenfiguren sind für die Verf. zuvörderst soziale Paradigmata, Mittel der Gesellschaftsanalyse und -kritik. Nachdenkenswert ist dabei auch die Verfahrensweise Küblers, sich doch stärker auf die Figur der Corinna Schmidt zu konzentrieren, um an ihr exemplarische Verhaltensweisen des mittelständischen Bildungsbürgertums offenzulegen und besonders die .Dekor-Funktion' dieser Schicht für die neureiche Bourgeoisie zu unterstreichen.
Der Aufsteigerin als pathologischer Fall widmet sich die Verf. in der Interpretation von Fontanes .Unterm Birnbaum', während im abschließenden Exkurs des III. Abschnittes generell Degenerationsformen hervorgehoben werden, die für den weiblichen Aufstieg a priori keinen Platz mehr bereithalten.
Dazu in Konfrontation zeigt der IV. Abschnitt die positive Seite des weiblichen Aufstiegs in der Möglichkeit von Individualisation und Emanzipation. Daß dabei Kübler sich nicht einseitig und undifferenziert dieser Problematik nähert, stellt sie in der Analyse von Fontanes .Graf Petöfy' und Anzengrubers »Sternsteinhof' klar unter Beweis. So wird Petöfys Tod als fragwürdiger Einsatz für Franziskas Individuation verifiziert (S. 56), und Anzengrubers Auf- Stiegsfiguren umgibt die Aura moralischer Unbedenklichkeit (S. 59). Am Beispiel der Fontaneschen Frauenfigur Mathilde Möhring gelingt es der Verf.
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