am eindringlichsten, den unmittelbaren Zusammenhang von Individuation und sozialem Aufstieg zu durchleuchten. Verdienstvoll ist hier vor allem die Bewertung verschiedener Interpretationen der Mathilde-Figur (S. 64 ff.), wobei die beiden Varianten des Aufstiegsstrebens und seiner individuellen wie sozialen Artikulation bei Mathilde Möhring eindeutig unterschieden werden.
Der die Untersuchung beschließende V. Abschnitt, der mit einem Exkurs zur weiblichen Berufsbildung um 1890 eingeleitet wird, widmet sich neuen Formen der Darstellung des Aufstiegs weiblicher Figuren in der Literatur. Zum einen erfolgt durch die Verf. der Einblick in ein bisher unberücksichtigtes Feld der literarischen Tradition von Künstlerinnen-Bildern, zum anderen werden mit Minna Kautskys »Herrschen oder Dienen' und Helene Böhlaus »Halbtier!' zwei Texte vorgestellt, die in den Kontext des frauenrechtlerischen Tendenzromans zu setzen sind. Wie bereits im Unterabschnitt zu Fontanes »Graf Petöfy" erfolgen auch hier anregende synchrone Verweise auf Henrik Ibsen. Ebenso finden wir dort eine Wertung des Einflusses von Friedrich Nietzsche auf radikale Strömungen der Frauenemanzipation am Ende des 19. Jahrhunderts. Der sich an dieser Stelle anbietende Blick auf die Literatur der Moderne um die Jahrhundertwende, besonders in Berlin, Wien und München, hätte sicherlich zu einer Bereicherung der Untersuchung beigetragen.
Daß solcherart Desiderata auch von der Untersuchung Skarkes nicht ausgefüllt werden können, impliziert schon die thematische Anlage. Bevor sich die Verf. jedoch detailliert der Frauendarstellung in Theodor Fontanes Romanen zuwendet, erfolgt ein allgemeiner Überblick der Entwicklung der Frauenfrage in Deutschland bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert, der in seinem diskursiven Gestus - z. B. Rückführung auf das Frauenbild der Renaissance, bei Rousseau, F- Schlegel u. a. — sich einerseits mit der Arbeit Küblers berührt, andererseits diese aber auch bereichert. So werden von Skarke ausgewählte Texte zur Frauenfrage von Clara Zetkin und Helene Lange einer eingehenderen Analyse unterzogen. Deutliche Sympathie der Verf. begleitet die historische Wertung der Texte und ihrer Autorinnen: »Neben aller Kritik soll jedoch nicht vergessen werden, daß das, was die Frauen heute als gegeben hinnehmen, von diesen Vorkämpferinnen der Gleichberechtigung erst erreicht werden mußte. Nur wenige hatten den Mut, mit Frauen wie Helene Lange und Clara Zetkin für ihre Rechte einzutreten.' (S. 11) Daß neben dieser sicher gerechtfertigten Würdigung dagegen bestimmte philosophische Strömungen dieser Zeit, wie z. B. der Positivismus, einer sehr oberflächlichen Bewertung von Skarke unterliegen, sei hier nur am Rande vermerkt.
Der II., der eigentliche Hauptabschnitt der Untersuchung, zielt auf eine diffi- zile Darstellung und Wertung Fontanescher Frauenfiguren. Fünf Texte stehen dabei im Mittelpunkt: „L'Adultera', „Frau Jenny Treibel', »Mathilde Möhring', »Effi Briest' und »Der Stechlin'.
Die Emanzipation der Melanie van der Straaten wird unter dem Aspekt einer Technik der kontrastierenden Parallelisierung beleuchtet. Daß dabei die Ana-
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