Heft 
(1991) 51
Seite
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lyse mitunter anmerkungsüberfrachtet wirkt und teilweise punktuell spekulativ, sei der Verf. nicht allzu übelgenommen, da ausgesprochen interessante Beob­achtungen zur nicht nur literarischen Motivgeschichte, sondern auch zur bibli­schen Mythologie, zur bildenden Kunst, zur Musik Wagners und zu Goethes .Wahlverwandtschaften' den Text bereichern. Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß bestimmte und auch angekündigte Intentionen der Verf. sich nicht im notwendigen Maße in der Untersuchung niederschlagen. Der Zusammen hang zwischen Frauengestalt und Zeitgeschichte, von ihr als Bild der .Wilhel­minischen Gesellschaft' ausgewiesen, bleibt in der .L'Adultera'-Analyse zugun sten psychologischer Spekulation und motivgeschichtlicher Detailbesessenheit auf der Strecke. Zum Glück für die gesamte Untersuchung wird dies nicht grundlegende Methode!

Analog zur Arbeit Küblers bildet die Interpretation des Romans .Frau Jenny Treibel' auch bei Skarke einen Höhepunkt. Schon der Titel des Abschnittes, .Die Komödie der guten Gesellschaft', weist in die nachdenkenswerte Richtung des analytischen Blickes der Verf.: »An der Oberfläche dominiert der Gesell­schaftsroman, doch die Tiefenstruktur des Werkes ist eine dramatische - die der Komödie. Beide durchdringen einander an zentralen Stellen und erhellen sich so gegenseitig, (...).' (S. 25) Soweit kann man der Aussage der Verf. zustimmen. Gegen die Schlußfolgerungen sind jedoch deutliche Einwände anzu­melden. Ein aus dem Kontext gerissenes Dürrenmatt-Zitat soll ein Resümee des Romans untermauern, welches in dieser Form nicht haltbar ist: »Der Zeit­roman bleibt bei Theodor Fontane mit dem Stechlin dem Adel Vorbehalten, (.. .).' (S. 27) Ist nicht gerade .Frau Jenny Treibel' einer der großen Romane der .Gründerzeit"? Der Ausschluß von Roman und Komödie, von Skarke so apostrophiert, ist ebenso unsinnig wie eine Antinomie von Komödie und Tra­gödie, wie es schon von Kierkegaard und Schopenhauer hervorgehoben wurde. Die Identität von Zeitroman und Komödie oder die Komödie als Zeitroman ist im 20. Jahrhundert zum Signum des modernen Romans avanciert. Wir verwei­sen nur auf Robert Musil, Elias Canetti oder Thomas Bernhards Roman »Alte Meister. Eine Komödie'. Nichts charakterisiert in Fontanes Roman so die Zeit, wie die ironisch-komödiantische Kritik der repräsentativen und autoritativen Zeichenstrukturen der Gründerzeit in Person der Jenny Treibel. Darauf nimmt dann auch wieder die Verf. Bezug, die relativ ausführlich auf die Funktion der Kunst und Literatur als Repräsentationsgegenstand großbürgerlicher Exi­stenz eingeht.

Einige Widersprüche lassen sich in der Untersuchung auch in der Beurteilung Corinna Schmidts entdecken. Zu kontrovers, kontrastierend und undifferenziert wird sie der Jenny Treibel gegenübergestellt. Kübler hat an dieser Stelle weit­aus ausgewogener und die Ambivalenz der Corinna Schmidt hervorhebend argumentiert. Es ist an sich ein Unterschied der Argumentation Skarkes gegen­über der von Kübler, daß der ersteren doch ein wenig die Distanz zu den epischen Figuren verlorengeht. Die Identifikation zwischen der Verf. und der literarischen Figur Corinna Schmidt geht relativ weit.

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