entspricht schon die zunächst eher schematisch anmutende Dreiteilung in eine Früh- (bis 1855), Mittel- (bis 1876) und Spätphase, die sich im Nachhinein aber eher als gut durchdachtes und v. a. praktikables Rahmeninstrumentarium erweist. Was entsteht, ist eine Art von flexiblen Blöcken, in denen v. a. thematisch Schwerpunkte gesetzt sind, aber auch das Spezifische der literarischen Gestaltung betont und sogar paradigmatische Einzelanalysen geleistet werden können. Eine wichtige konstitutive Bezugsgröße bildet für de Bruyn dabei immer die geistig-politische Entwicklung und hier ganz besonders die konservative Wende im Übergang von der ersten zur zweiten Schaffensphase. Die Akzentuierung des Eigenwerts der Werkteile wie ihres Stellenwerts im Gesamtzusammenhang wird dadurch möglich.
Wird für die Frühphase v. a. die Suche nach einer literarischen Identität betont - die politische Lyrik bleibt auch hier leider stark unterbelichtet - wird die mittlere Periode als eindeutig von der „künstlerischen Form des Reisefeuilletons' (Bd. 3, S. 448), insbesondere von den „Wanderungen" als völlig neuer Stufe literarischer Qualität, dominiert gesehen. De Bruyn verschweigt dabei auch nicht die Ungleichgewichtigkeit und künstlerische Disparität innerhalb der einzelnen Bücher, die aber, und das ließe bereits den künftigen Romancier erkennen, immer dort an Qualität gewönnen, wo „neben dem Landschafts- und Vergangenheitsbeschreiber auch der Menschengestalter zu Wort kommt' (S. 432). Mit einem Exkurs zum Brief Schreiber Fontane, der in seinen Korrespondenzen nicht nur den auch in den Romanen wiederzufindenden Plauderton, sondern auch seine zunehmend kritischer werdende Sicht auf die gesellschaftspolitische Entwicklung offenbart, wird von de Bruyn der Übergang zur späten Schaffensperiode, der der Romane und Erzählungen, vollzogen, die auch für ihn Fontanes herausragendste Leistung birgt. Er arbeitet treffend die Unauflöslichkeit der Zeitproblematik mit dem Werk und die kritische Bestandsaufnahme durch Fontane heraus, geht aber niemals soweit, die Wertung der Romane und Erzählungen allein darauf zu reduzieren. Ihr Generalthema beschreibt er, immer auch die ästhetische Dimension wahrend, vielmehr so, daß hier „Menschen an einem Ordnungsgefüge leiden oder zerbrechen, das sie durch starre Regeln an ihrer freien Entfaltung hindert. Die Frage nach der Notwendigkeit und Berechtigung der gesellschaftl. Konventionen bleibt dabei in der Schwebe, u. nur die menschl. Tragödien, die sie erzeugen, klagen sie an.' (S. 449) Und auch die künstlerische Methode, die Einzigartigkeit der Erzählweise Fontanes weiß de Bruyn mit sublimer Bestimmtheit zu benennen. Die eigentlichen Handlungsszenen würden bei Fontane „dialogisch vorbereitet u . dann ausgespart... Nicht die großen Begebenheiten, die Katastrophen u. Leidenschaften reizen F. zur Gestaltung, sondern deren Voraussetzungen und Folgen, das Davor und Danach, das dialogisch, also nie einseitig, gestaltet wird.' (S. 449) Bei dieser Art stimmiger und feinsinniger Orientierungshilfe kann man es dann auch als einen durchaus läßlichen Mangel nehmen, wenn es de Bruyn bei fünf exemplarischen Romanerörterungen beläßt und für anderes (»L'Adultera', „Cecilie", „Stine", „Frau Jenny Treibel", „Mathilde Möhring") sogar nur recht pauschale Ein-Satz-Urteile übrig hat.
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