Heft 
(1991) 51
Seite
198
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Zieht man noch den opulenten 16seitigen Bildteil sowie die umfassende und gut gearbeitete Bibliographie hinzu, kann man im ganzen betrachtet wohl nur von einer gelungenen gegenstands- und aufgabengerechten Bewältigung spre­chen. Hegte mancher noch die Befürchtung, wenn ein Dichter über einen Dich­ter schreibt, stünde nur Kapriziöses zu erwarten, so ist dies von de Bruyn mustergültig widerlegt worden. Hätte er nicht schon so eine erfolgreiche lite­rarische Karriere hinter sich, man könnte ihm gut eine ebensolche als Germa­nist prophezeien.

Christian Grawe ist der Autor des Fontane-Artikels im Band 6 (» Realismus, Naturalismus und Jugendstil", 1989) des achtteiligen Projektes des Reclam-Ver- lages Stuttgart »Deutsche Dichter. Leben und Werk deutschsprachiger Autoren (Hrsg. Gunter E. Grimm u. Franz Rainer Max). Ihm stehen dafür immerhin 23, wenn auch kleinformatige Taschenbuchseiten zur Verfügung. Der sonst weitgehend übliche Verknappungsnotstand entfällt hier also. Der methodische Zugriff ist dem angepaßt. Die ohnehin fragwürdige Trennung zwischen einem biographischen und einem Werkteil gibt es nicht, sondern die Hauptentwick­lungslinien werden in chronologischer Abfolge und genremäßiger Gruppie­rung freizulegen versucht. Eher ein Aufsatz also, eine Fontane-Kurzmonogra­phie als ein Lexikon-Artikel im herkömmlichen Sinne. Der lockere, unpräten­tiöse Stil, der auch eindeutige Formulierungen und Wertungen nicht scheut, kommt dabei aber auch allzu oft in die Nähe sprachlicher Laxheiten, die bis zu stilistisch-semantischen Ungereimtheiten reichen können (2).

Auf das einzelne Werk läßt sich Grawe so gut wie gar nicht ein, obwohl dies sicher möglich und wie sich zeigt auch nötig gewesen wäre. Er zielt statt des­sen auf Strukturelles, Grundsätzliches, wodurch seinen Urteilen häufig ein imperativer Gestus anhaftet und sie zuweilen nicht immer genügend unter­setzt erscheinen. Zu rasche Verallgemeinerungsbereitschaft führt nicht selten zu holzschnittartigen Aussagen, vermittelt den Eindruck von Vorurteilhaftem und Synthetischem. Klischees können sich so oft eher behaupten, als daß sie abgebaut würden.

Sicher, Grawes Ergebnisse sind ungeachtet davon in vielem stringent und unbestreitbar. Etwa dort, wo er Thema und künstlerische Methode des Ro­manciers zu beschreiben versucht: .Fontanes Romane... kreisen um die ge­sellschaftliche Konstellation, die das Individuum prägen, verformen, unter­drücken und verurteilen. Die darin angelegte Kritik trifft den moralischen und verhaltensmäßigen Rigorismus des gesellschaftlichen und staatlichen Sy­stems ...' (S. 142) »Fontanes realistischer Roman erhält seine Dichte durch die Präzision des Gesellschaftsbildes, die unerreichte Leichtigkeit und Natürlich­keit des zugleich thematisch konzentrierten Dialogs und vor allem durch die symbolische Durchdringung des Textes. Namen und Schauplätze, Gegenstands­und Kunstwelt, Personenensemble und sozialer Rahmen bilden einen Sinn­zusammenhang, der auf... subtilste Weise den Beziehungsreichtum und die Bedeutung der dargestellten Welt herstellt...' (S. 143). Dem stehen dann aber immer wieder Einschätzungen gegenüber, die dem Benutzer kaum wei- terhelfen, ja eher noch irritieren können. Einige Beispiele.

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