Mit meinem Befinden geht es etwas besser, aber noch lange nicht gut; die Nerven wollen immer noch nicht pariren.
An Theaterkritiken kann ich in dieser Woche meine zurückkehrenden Kräfte proben, denn ich werde vier mal ins Schauspiel müssen; die Shakespeareschen Königsdramen rücken jetzt en bataillon über die Bühne.
Frau u. Kinder empfehlen sich Ihnen u. Frl. Minchen 3 aufs beste und denken dankbar an die stillen Plauer Plaudertage.
In herzlicher Ergebenheit Ihr
richtig als einen Schatz (ansehe), zugleich als ein mir sehr werthes Erinnerungszeichen aus Ihrer freigebigen Hand ansehe.
Einfügung in Bleistift; letzter Punkt mit Blei in ein Semikolon verwandelt:
; vorläufig liegt ihnen ob [an Theaterkritiken] ihre wiederkehrende Kraft zu proben. (Und) Die 4 Bände Macaulay sammt Brief, sowie die Strumpfsendung meiner Frau, Hony soit qui mal y pense, haben Sie hoffentlich erhalten.
Die Datierung des Briefes scheint zunächst unproblematisch. Die Erwähnung des Romans - eben Vor dem Sturm -, an dem Fontane „in vollkommenster Einsamkeit" arbeiten möchte, spricht für das Jahr 1877, und einige inhaltliche Anhaltspunkte scheinen eine Datierung auf Anfang August 1877 nahezulegen: Der Beginn der zweiten Fassung - „Kaum wieder hier“ - und die Schlußwendung der ersten, in der Fontane den Dank für „die stillen Plauer Plaudertage“ ausspricht, deuten darauf hin, daß die Familie Fontane gerade von einem Besuch bei Wiesike zurückgekehrt ist. Anfang August 1877 war Fontane tatsächlich in Plaue zu Gast. 4 Auch die Überlegung, einige Zeit bei Alexander Gentz auf Gentzrode zuzubringen, gehört in diesen Zeitraum, wie der entsprechende Brief an Gentz vom 7. August 1877 belegt: „Könnten Sie mir, auf ein paar Tage, eine Schlaf- und Wohnstätte in Ihrem Oasen- Chateau herrichten?“ Dieser Besuchsplan zerschlug sich jedoch, so daß Fontane statt dessen nach Thale im Harz reiste, um dort in Ruhe an Vor dem Sturm arbeiten zu können und sich von einer „Nervenerkrankung" 5 zu erholen. So scheint auch Fontanes Klage gegenüber Wiesike, daß seine „Nerven noch immer nicht pariren" wollen, zu zeigen, daß dieser Brief in den ersten Augusttagen 1877 entstanden ist. Gegen all diese Überlegungen spricht jedoch die Formulierung, daß die Shakespeareschen Königsdramen „jetzt en bataillon“ über die Bühne gehen und daß Fontane in seiner Eigenschaft als Thea-
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