terkritiker der „Vossischen Zeitung" „in dieser Woche (...] vier mal ins Schauspiel' muß. Das kann unmöglich zu Anfang des Monats August, mitten in den Theaterferien, der Fall gewesen sein. Das Königliche Schauspielhaus hat seine Herbstsaison erst Ende dieses Monats eröffnet. Der Zyklus mit Shakespeares Königsdramen begann am Donnerstag, dem 15. November 1877, mit der Aufführung von König Richard II., am 17. und 19. November folgten die beiden Teile von König Heinrich IV., am 21. November gab man König Heinrich V., am 23. November König Heinrich VI. und am 24. November schließlich König Richard III. Fontane hat alle diese Vorstellungen in der »Vossischen Zeitung' besprochen. Somit wäre die erste Fassung des Briefes einigermaßen exakt auf die Zeit zwischen Montag, dem 12. November, und Mittwoch, dem 14. November 1877 zu datieren - die Theaterbesuche stehen ja noch bevor -, die zweite müßte um den 22. November entstanden sein, als nur noch „ein schwacher Rest" der Kritiken zu bewältigen war. Vom 1. bis zum 9. November 1877 sind keinerlei Briefe Fontanes überliefert, es ist also denkbar, daß er in dieser Zeit mit seiner Familie eine kurze Reise nach Plaue unternommen und dort einige stille „Plaudertage“ genossen hat. Und schließlich: Auch die „Strumplsendung" von Frau Emilie läßt eher an kalte Spätherbsttage als an den Hochsommer denken.
Mit der Lösung dieses Datierungsrätsels ergibt sich jedoch eine andere Frage, die sich auf die Vorderseite des Folioblattes bezieht, nämlich die Seite 6 aus dem 3. Kapitel des III. Bandes von Vor dem Sturm, „Geheimrat von Lada- linski". Üblicherweise nimmt man an, daß die beschrifteten Rückseiten des Romanmanuskripts zeitlich vor der Entstehung des Romantextes liegen, da Fontane häufig bereits benutzte Blätter für die Niederschrift seiner Werke zu verwenden pflegte. In unserem Fall kann diese Annahme jedoch nicht zutreffen. Fontane hat schon am 14. August 1877 aus Thale an seine Frau geschrieben: „Trotz meines Schnupfens bin ich mit der Korrektur des schwierigen 3. Kapitels [des III. Bandes, W. H.] doch fast durchgekommen, was mich sehr erfreut." Am 15. September heißt es schließlich in einem Brief an Wilhelm Hertz, er werde in „der nächsten Woche (...] einen Hauten M.S. (drei Bände) an das Daheim abgeschickt haben", und in der ersten Novemberhälfte ist der Satz der Bände I bis III bereits in vollem Gange. 6 Emilie Fontane hatte zu diesem Zeitpunkt den Großteil des Romans also bereits abgeschrieben, und es erscheint zunächst wenig wahrscheinlich, daß Fontane just dieses Blatt aus seinem Arbeitsmanuskript herausgenommen und darauf den Brief an Wiesike entworfen haben sollte. Doch ein genauerer Blick auf die Textgenese an dieser Stelle des Romans zeigt, daß diese Annahme so falsch nicht sein muß. Geheimrat von Ladalinski wird dort zum ersten Mal im Roman ausführlich vorgestellt, und er trägt in der mit Tinte geschriebenen Grundschicht des Textes den Vornamen „Taddäus". Diesen Namen hat Fontane später mit Bleistift in „Zygmunt“ verändert. In beiden Druckfassungen aber, sowohl im Erstdruck im Daheim als auch in der ersten Buchausgabe, heißt der Geheimrat mit Vornamen „Alexander". Es ist also vorstellbar, daß Fontane, der sich in seinem Brief an Wilhelm Hertz vom 12. November 1877 6