Ansehen und seiner gesellschaftlichen Stellung. Nun ist die Tatsache, daß ein Schriftsteller über die Bedingungen und Besonderheiten seines (Berufs-) Standes und seiner Stellung nachdenkt, nicht außergewöhnlich, wie zahlreiche literarische und biographische Zeugnisse vom Mittelalter bis in die Gegenwart belegen. Auch für Fontane selbst ist dies keineswegs ein neues Thema, das er erst im Alter für sich entdeckt hätte, werden doch seine Veröffentlichungen von Anfang an von selbstkritischen Überlegungen begleitet, die nicht nur die spezifische Qualität dieses Schriftsteller-Ichs und des Schriftstellers schlechthin reflektieren, sondern stets auch die - im wörtlichen wie im übertragenen Sinne - problematische Existenz des sogenannten freien Schriftstellers im Preußen des Nachmärz und der Nachgründerzeit in den Blick zu nehmen genötigt sind. 2 Verfolgt man die Entwicklung im Zusammenhang mit Fontanes „Etablierung' als freier Schriftsteller aber genauer, so wird erkennbar, daß diese Fragestellung für ihn zunehmend an Brisanz und Dringlichkeit gewinnt und vor allem in den Jahren zwischen 1885 und 1892 in mehreren Briefen, Gedichten und theoretischen Schriften ironisch glossiert, literarisch gestaltet und kritisch erörtert wird. Hier werden jene Motive entfaltet und variiert, die bereits in aufschlußreicher Weise die Novellenskizze von 1884/85 kennzeichnen: die gesellschaftliche Diskrepanz zwischen Dichter und Minister, die materielle wie ideelle Geringschätzung der schriftstellerischen Tätigkeit und der literarischen Produktion, die ornamental-dekorative Funktion der Dichtung, die der Bildenden Kunst untergeordnet wird, das abschätzig-herablassende „Nun ja", das das Publikum ebenso charakterisiert wie den Dichter, dem es zugedacht ist. Während der 1891 anonym veröffentlichte Aufsatz „Über die gesellschaftliche Stellung der Schriftsteller ' schonungslos nüchtern vor allem die soziale Problematik zur Sprache bringt, entlarven die im gleichen Jahr erschienenen Gedichte subtil und treffsicher, humorvoll und nachdrücklich das zwiespältige Verhältnis des Publikums zu „seinen" Dichtern. Diese Thematik wird in mehreren Gedichten gestaltet; hier sollen vor allem jene betrachtet werden, die zu den „Dichtergedichten" im engeren Sinne gezählt werden können, solche also, die die spezifischen Bedingungen schriftstellerischer Existenz im allgemeinen oder in einem besonderen Fall reflektieren. Daß die Bezeichnung „Dichtergedicht" hier bereits in distanzierende Anführungszeichen eingekleidet erscheint, mag als erste Andeutung jener These verstanden werden, die diesen Überlegungen zugrunde liegt: Die „Dichtergedichte" Fontanes, betrachtet im langen Traditionszusammenhang dieser Gattungsform, vor allem aber im Vergleich mit den Dichtergedichten zeitgenössischer Autoren, führen eben diese Tradition ad absurdum, indem sie tradierte Motiv- und Gestaltungselemente inhaltlich aufnehmen, um sie sprachlich und (in) formal zu konterkarieren. Das immanente Prinzip einer Gattungsform wird ebenso durchbrochen und umgewendet wie die von ihr transportierte Botschaft: die Verklärung des Dichterbildes.
Dem scheinen zunächst die 1888 entstandenen und veröffentlichten Gedichte an bzw. über Walter Scott zu widersprechen: „ Walter Scotts Einzug in Ab-
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