botsford“ und „ Walter Scott in Westminster-Abtei"3 Beide sind Huldigungsgedichte - allerdings auf ihre besondere Weise. „Walter Scotts Einzug in Ab- botsford“ läßt in humorvoller Würdigung aus den Umzugskisten Motive und Gestalten jener Scottschen Romane erstehen, die dann in Haus Abbotsford entstanden sind. Dem schottischen Dichter widerfährt keine idealistische Verklärung, vielmehr befindet er sich — inmitten des bunten Durcheinanders seines merkwürdigen Umzugsgutes denkbar weit entfernt von Parnaß und kastalischem Quell 4 - auf durchaus gewöhnlichem Boden, liebevoll und mit einem Anflug des Skurrilen dargestellt.
„Walter Scott in Westminster-Abtei“ inszeniert die Dichterhuldigung in einem anschaulichen und konkreten Sinne: Das Regiment der Schottischen Füsiliere, das auf dem Platz vor Westminster Abbey zu Ehren des Krönungszuges Spalier bildet und den Befehl hat, niemanden passieren zu lassen, „präsentiert das Gewehr" und macht „Platz für Sir Walter Scott". So sehr diese szenische Episode eine besondere Ehrerbietung zum Ausdruck bringt, anders als die raum- und zeitenthobenen Huldigungen anderer Dichtergedichte des 19. Jahrhunderts, ist sie doch eingebunden in einen eindeutig fixierbaren historischen und gesellschaftlichen Zusammenhang und gebunden an eine bestimmte Person mit bestimmten Verdiensten, die geehrt wird. Bezeichnend auch, daß dieses Gedicht einen schottischen Dichter in den Mittelpunkt stellt und in England spielt - nicht in Preußen. Hatte Fontane z. B. noch in der „Tunnel"- Zeit vereinzelt Gedichte deutschen Schriftstellern gewidmet - „An Georg Her- wegh " (1841/42) 5 und den 1859 vorgetragenen „Toast auf Schiller" 6 - so beteiligte er sich in späteren Jahren nicht an dem von ihm so heftig kritisierten „Literaturheroen-Kultus" 7 , der vor allem in der Gründerzeit eine Vielzahl euphorischer Huldigungen auf deutsche Dichter, besonders auf Goethe und Schiller, hervorbrachte. 8
Mit Ausnahme der beiden Scott-Gedichte wendet sich die späte Lyrik ab von der Einzelperson des Dichters; Fontane richtet sein Augenmerk in Gedichten dieser Themengruppe auf die allgemeinere und zugleich speziellere Frage nach der Beschaffenheit der Spezies Schriftsteller im Spiegel der öffentlichen Meinung. Eine deutliche Zuspitzung auf die kritische Auseinandersetzung mit dem Bild des Schriftstellers, wie es sich in den Ansichten der zeitgenössischen Gesellschaft darstellt, wird erkennbar. In den Mittelpunkt rückt das Bildnis, das sich diese Gesellschaft von „ihren" Schriftstellern macht - oder zu machen weigert. Jene Merkmale, die einen Dichter in der verbreiteten Einschätzung charakterisieren, lassen sich keineswegs widerspruchslos zu einem einheitlichen Bild zusammenfügen: Das Werk eines „angesehenen"
Dichters kann Aufsehen erregen; das Publikum mag gar zu einer idealisierten Dichterfigur aufblicken — wie aber ist jenes „Objekt" der Huldigung und Verehrung mit der sozialen und bürgerlichen Existenz dessen, der dieses Werk verfaßt hat, in Einklang zu bringen? Der Dichter erscheint als eine zweideutige und zwiespältige Figur, da sich die (Vorstellung von) Poesie und die (reale Existenz der) Person offenbar kaum miteinander verknüpfen lassen. Was Fontane in Gedichten und kritischen Schriften konstatiert, ist die 17