Heft 
(1991) 52
Seite
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botsford und Walter Scott in Westminster-Abtei"3 Beide sind Huldigungs­gedichte - allerdings auf ihre besondere Weise.Walter Scotts Einzug in Ab- botsford läßt in humorvoller Würdigung aus den Umzugskisten Motive und Gestalten jener Scottschen Romane erstehen, die dann in Haus Abbotsford entstanden sind. Dem schottischen Dichter widerfährt keine idealistische Ver­klärung, vielmehr befindet er sich inmitten des bunten Durcheinanders seines merkwürdigen Umzugsgutes denkbar weit entfernt von Parnaß und kastalischem Quell 4 - auf durchaus gewöhnlichem Boden, liebevoll und mit einem Anflug des Skurrilen dargestellt.

Walter Scott in Westminster-Abtei inszeniert die Dichterhuldigung in einem anschaulichen und konkreten Sinne: Das Regiment der Schottischen Füsiliere, das auf dem Platz vor Westminster Abbey zu Ehren des Krönungszuges Spa­lier bildet und den Befehl hat, niemanden passieren zu lassen,präsentiert das Gewehr" und machtPlatz für Sir Walter Scott". So sehr diese szenische Episode eine besondere Ehrerbietung zum Ausdruck bringt, anders als die raum- und zeitenthobenen Huldigungen anderer Dichtergedichte des 19. Jahr­hunderts, ist sie doch eingebunden in einen eindeutig fixierbaren historischen und gesellschaftlichen Zusammenhang und gebunden an eine bestimmte Per­son mit bestimmten Verdiensten, die geehrt wird. Bezeichnend auch, daß dieses Gedicht einen schottischen Dichter in den Mittelpunkt stellt und in England spielt - nicht in Preußen. Hatte Fontane z. B. noch in derTunnel"- Zeit vereinzelt Gedichte deutschen Schriftstellern gewidmet -An Georg Her- wegh " (1841/42) 5 und den 1859 vorgetragenenToast auf Schiller" 6 - so be­teiligte er sich in späteren Jahren nicht an dem von ihm so heftig kritisierten Literaturheroen-Kultus" 7 , der vor allem in der Gründerzeit eine Vielzahl euphorischer Huldigungen auf deutsche Dichter, besonders auf Goethe und Schiller, hervorbrachte. 8

Mit Ausnahme der beiden Scott-Gedichte wendet sich die späte Lyrik ab von der Einzelperson des Dichters; Fontane richtet sein Augenmerk in Gedichten dieser Themengruppe auf die allgemeinere und zugleich speziellere Frage nach der Beschaffenheit der Spezies Schriftsteller im Spiegel der öffentlichen Meinung. Eine deutliche Zuspitzung auf die kritische Auseinandersetzung mit dem Bild des Schriftstellers, wie es sich in den Ansichten der zeitgenössi­schen Gesellschaft darstellt, wird erkennbar. In den Mittelpunkt rückt das Bildnis, das sich diese Gesellschaft vonihren" Schriftstellern macht - oder zu machen weigert. Jene Merkmale, die einen Dichter in der verbreiteten Einschätzung charakterisieren, lassen sich keineswegs widerspruchslos zu einem einheitlichen Bild zusammenfügen: Das Werk einesangesehenen"

Dichters kann Aufsehen erregen; das Publikum mag gar zu einer idealisierten Dichterfigur aufblicken wie aber ist jenesObjekt" der Huldigung und Verehrung mit der sozialen und bürgerlichen Existenz dessen, der dieses Werk verfaßt hat, in Einklang zu bringen? Der Dichter erscheint als eine zweideutige und zwiespältige Figur, da sich die (Vorstellung von) Poesie und die (reale Existenz der) Person offenbar kaum miteinander verknüpfen las­sen. Was Fontane in Gedichten und kritischen Schriften konstatiert, ist die 17