Heft 
(1991) 52
Seite
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keineswegs neue, aber vertiefte Diskrepanz zwischen der zum hehren Reich stilisierten Poesie, der Idealisierung des »Dichters schlechthin' (besonders der Klassiker im Gegensatz zu den meisten zeitgenössischen Schriftstellern) und der gesellschaftlichen Realität, die sowohl dem Berufsbild des Dichters wie auch seiner Person selbst die bürgerliche Anerkennung verweigert oder diese zumindest in Zweifel zieht.

Die Konsequenzen, die diese Konstellation zeitigt, nämlich die Interdependenz von Einwirkung und Auswirkung, von Dichter und Publikum, illustriert das 1891 entstandene Refrainlied

»Es soll der Dichter mit dem König gehn ". 9

»Ein Dichter will ich werden. Nur das Hohe Sei Gegenstand für jene heil'ge Lohe,

Die mich durchglüht", - so war des Jünglings Flehn,

Ich will nicht Staub von Ahlen und Pandekten,

Ich will nicht Streit von Ragen, Kirchen, Sekten, -

Es soll der Dichter mit dem König gehn.

Und hoch auf einem quietschetön'gen Bocke Sitzt er im 4. oder 5. Stocke

Und schreibt u. schreibt, da läßt der Wirt sich sehn.

Er kommt um Miete (leider keine Mythe),

Doch war nicht Thoas auch ein rauher Skythe? - Es soll der Dichter mit dem König gehn.

Ein jeder seiner Helden trägt die Krone,

Heinrich der Finkler und die drei Ottone Sind ihm verfallen, eh sie sich's versehn.

Und nun Mathilde, Heinrich und Canossa Und nun der ew'ge alte Barbarossa, - Es muß der Dichter mit dem König gehn.

Er schreibt und schreibt, doch (es will sich nicht) verkaufen, 10 Das Glück war niemals mit den Hohenstaufen,

Auch er muß diese Wahrheit jetzt verstehn.

Nun denn, so werd ich preußisch-patriotisch.

Ich will doch sehn, und muß es sein, zelotisch, - Es muß der Dichter mit dem König gehn.

Und nun geschieht's. Es rauscht in ganzen Wettern,

Auf ihn hernieder hört man's schmettern.

Er ist ein Gott, er kann gedruckt aut tausend Blättern stehn.

Ein Hofbeamter bringt ihm die Tantiemen,

Erst will er nicht, doch tut er sich bequemen, - Es soll der Dichter mit dem König gehn.

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