SCHRIFTSTELLER DER GEGENWART UBER THEODOR FONTANE
Uwe Berger, Berlin Klang der Hoffnung
Ende der fünfziger Jahre begann ich, mich intensiv mit ihm zu beschäftigen, mit ihm umzugehen. Die Möglichkeit dazu bot mir eine vielbändige Fontane- Ausgabe im Verlag Das neue Berlin, die der Ausgabe des Aufbau-Verlages vorausging. Die Wanderungen durch die Mark Brandenburg kannte ich zum Teil; ich las neu, aus veränderter Sicht. Die Rückwendung ins Landschaftlich- Geschichtliche, in die Atmosphäre von Landschaft und Geschichte, bei der mich Fontanes zugleich exakt konkrete, fein ironische, menschlich liebenswerte und von leiser Poesie durchdrungene Darstellung begleitete, erleichterte mir die geistige Existenz in einer restriktiven Kulturlandschaft. Der Roman Vor dem Sturm ließ mich begreifen, wie aus berichtender Prosa erzählende Prosa hervorwachsen kann. Die großen Altersromane Fontanes bis hin zu Mathilde Mö hring u n d De r Stechlin w a ren und sind mir Literatur, die nicht von orakelhafter Dunkelheit, geschraubten Sätzen und blumigen Worten geprägt ist, sondern durch den psychologischen und sozialen Erkenntniswert, durch die klare, warme, menschliche Sprache überzeugt. Solche Lektüre bevorzuge ich. Ich sehe hier eine Traditionslinie, die von Goethe und Stifter über Fontane zu Thomas Mann verläuft.
In der Lyrik Fontanes mag ich nicht so sehr die Balladen, die historisierendem Zeitgeschmack verpflichtet sind; ich liebe mehr die schlichten Verse, die das Denken und Fühlen des Autors unmittelbar ausdrücken. Aus der "Welt' zurückkehrend, nennt er nicht nur das Haus, die Heimat, die Beschränkung das Glück und die Welt, sondern er stellt auch fest: .Es kann die Ehre dieser Welt / Dir keine Ehre geben, / Was dich in Wahrheit hebt und hält, / Muß in dir selber leben." Es ist echtester, humorvoller Fontane, wenn er sich selber Mangel an Feierlichkeit bescheinigt. Bei fehlendem Sinn für Feierlichkeit vor den Machthabern, den „Damens", den Portiers und Hausbesitzern bringe man es nicht weit. Und auch wenn er es einem „alten Geheimrat' in den Mund legt, der von seinem „späten Ehestandsglück' erzählt, so ist es doch Fontane, der bekennt: .Ich hielt es aufrichtig mit Schelling und Hegel, / Jetzt bin ich für Pankow, Schönhausen, Tegel..
Als ich Anfang der siebziger Jahre, jener Jahre scheinbarer „Lockerung , Skizzen über märkische Landschaften und die sie bewohnenden Menschen zu schreiben begann, lag mir Fontane im Sinn. Freilich stand nicht nur er mir nahe. Sondern etwa auch Alexander von Humboldt mit seiner Erkenntnis aus den „Ansichten der Natur", daß der Zweck aller Naturbeschreibung am leich-
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