geworden, im Gegensatz etwa zu Freytags „bynary Opposition' von Gut und Böse. In Effi Briest diene die Konversation nicht dazu, die „narrative action" zu verstärken, sondern sie herauszufordern. Im Stechln werde diese Verhaltensweise dann zu einem Gewebe von Erzählsträngen: schon die Frage, wer jeweils nun zu einem Essen eingeladen werden sollte, erweise die Brüchigkeit der gesellschaftlichen Struktur, die symbolisch zusammengehalten werde nur durch die dominierende Figur Dubslavs. Wo aber bei Fontane doch noch Geselligkeit möglich ist, fällt sie bei Raabe auseinander: man versteht sich nicht mehr. Damit erreiche Raabe den Wendepunkt im Gesellschaftsverständnis, der ihn zum Vorläufer der Moderne mache.
So manches in den umfänglichen Fußnoten wünschte man sich in den Text selbst verarbeitet - aber Dissertationen schwelgen nun einmal in Fußnoten, wie man das eben in Seminaren gelernt hat. Nancy Kaiser kann schreiben: man möchte nur, daß sie sich vom linguistischen Jargon etwas befreite.
Michael Andermatt: Haus und Zimmer im Roman. Die Genese des erzählten Raumes bei E. Marlitt, Th. Fontane und F. Kafka. - Bern, Frankfurt am Main, Paris, New York: Peter Lang 1987. 254 S. (Zürcher Germanistische Studien, Bd. 8)
(Rez.: Peter Görlich, Potsdam)
Die grundsätzlichen Voraussetzungen der Untersuchung Andermatts sind für jeden einsehbar: Räumlichkeit entfaltet sich weitaus mehr als visuelle, denn als sprachliche Wahrnehmung. Daß dennoch beeindruckende Beschreibungen von Räumlichkeit in der Geschichte der deutschen Literatur zu verzeichnen sind, unterstreichen u. a. das Werk Goethes, die gesamte Romantik, besonders aber Stifter und Thomas Mann. Der Verf. unternimmt, dadurch angeregt, nun den Versuch, einerseits die künstlerisch-ästhetischen Mittel der epischen Darstellung von Raum, konkret von Haus und Zimmer bei Verzicht auf Landschaft, Garten und Natur, einer diffizilen Beschreibung zu unterziehen, andererseits aber auch die Bedeutung der durch die Raumkoordinaten bezeichneten Wirklichkeitsbeziehungen und Weltmodelle zu decodieren und damit ein Desiderat der Forschung weiter einzuengen: „Gerade die sprachfremde Beschaffenheit des Raumes mit ihren Widerständen gegen das diskursive Denken der quantifizierten Abfolge scheint uns für die Literaturwissenschaft ein interessantes und aufschlußreiches Gebiet abzugeben ... .' (S. 8)
Die Konzentration auf die Epik erfolgt aufgrund der Erkenntnis, daß dort Raum immer gleichzusetzen ist mit „Vorstellungsraum', anders als z. B. in der Dra-
131