sonders der Figurenraum Effis wird dabei unter dem Phänomen von Raumverlust (Spuk) und Gewinn von Raumgestaltung (Landschaftsgestaltung) ausgeleuchtet. Im Unterabschnitt zu »Raumstruktur als Konfliktmodell' löst sich der Verf. exkursartig aus dem Kreis des poetischen Raumes, um den Roman nachdrücklich und überzeugend unter den Begriff des .Zeitromans' zu subsummie- ren. Daß die Beziehungen zwischen .Mikroraum' (Effis private Welt) und .Makroraum' (Wilhelminische Gesellschaft) nicht immer zweifelsfrei schlüssig nachgezeichnet werden, bleibt anzumerken, mindert jedoch nicht den Wert des »Beinahe-Exkurses" grundsätzlich, da besonders die Anmerkungen zur .widersprüchlichen Synthese von Freiheit und Autorität' zum weiteren Nachdenken anregen.
Raumkonstruktion und Dekonstruktion, vor allem unter der Perspektive der .Verunordnung' bilden den Ausgangspunkt der die Untersuchung abschließenden Bemerkungen zu Franz Kafkas Der Verschollene. Der Verf. lenkt hier seine besondere Aufmerksamkeit auf die ambivalente Wirkung von Räumlichkeit und Raumperspektive auf das a priori verunsicherte Individuum in einer »zweigeteilten Welt', »in der die Figuren darunter leiden, daß zwei Räume nebeneinander vorhanden sind: einer, der ihnen entspricht, und einer, der ihnen zuwider ist', .... (S. 229) Nicht ein Weltmodell intendiert die Räumlichkeit in Kafkas Roman, sondern der stete Neubeginn des Versuches, die Welt zu verstehen.
Es läßt sich zusammenfassend feststellen, daß Andermatt in seiner konkreten Analyse von Räumlichkeit und Raum in sehr verschiedenen epischen Texten der deutschen Literaturgeschichte einen gewichtigen Beitrag zum Verständnis der dort inhärenten künstlerisch-ästhetischen Mittel beigetragen hat.
Rüdiger Bernhardt: Henrik Ibsen und die Deutschen. - Berlin: Henschelverlag Kunst und Gesellschaft 1989. 389 S.
(Rez.: Joachim Biener, Leipzig)
Rüdiger Bernhardt promovierte 1968 an der Martin-Luther-Universität Halle über Die Herausbildung des naturalistischen deutschen Dramas bis 1890 und der Einfluß Henrik Ibsens. In der Universalbibliothek des Leipziger Reclam-Ver- lages brachte er um 1970 in zwei starken Bänden Dramen Ibsens heraus. In den .Weimarer Beiträgen' folgten Aufsätze über die deutschen naturalistischen Programmschriften, über Ibsens Polaritätsgedanken und über Gerhart Hauptmanns soziales Drama Vor Sonnenaufgang. Ibsen und der deutsche Naturalismus ist damit ein wesentliches Thema Rüdiger Bernhardts, das er in dem Buch Henrik
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