Heft 
(1991) 52
Seite
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leistet haben als Fontane. Lediglich den Dramentechniker Ibsen habe Fontane anerkannt, ohne allerdings die besondere episierende Variante innerhalb der aristotelischen Technik bewußtzumachen. D ie Wildente, die Fontane wegen der Alltagsdarstellung lobte, gerät bei Bernhardt freilich etwas in den Hintergrund. Hinzu kommt die mit dem weiteren Lebensalter wachsende Ablehnung Ibsens durch Fontane. Als Ursachen für die Distanz zwischen Fontane und Ibsen nennt Bernhardt Unterschiede in der Haltung zum Preußentum und eine gewisse biographische Übereinstimmung. Fontane habe durch den Ex-Apotheker Ibsen nicht an die eigene Apothekervergangenheit erinnert sein wollen. -

Wie bereits erwähnt, kam es leider nicht zu persönlichen Kontakten der beiden Schriftsteller, die sich bei allen Unterschieden in ihrem weiten Entwicklungs­weg ähneln, im späten Durchbruch zum »Eigentlichen" und in mancher ideell­ästhetischen Eigenheit. So ist Fontane in L'Adultera und in Effi Briest vom Dramatiker der Nora nicht so weit entfernt wie in seinen theoretisch-publizisti­schen Verdikten. Helene Herrmann, die sich mit Fontane und Ibsen gleicher­maßen beschäftigt hatte, würdigt bei Ibsen die Gestalten als »Rundplastiken", die "menschenumschaffende' Kraft des Dichters oder den symbolhaltigen »Dia­log zweiten Grades". 1 Damit hebt sie Schaffenszüge hervor, die auch das Werk Fontanes kennzeichnen, wenn auch nicht mit solcher Konsequenz und Radi­kalität wie bei Ibsen.

Unter der angeführten und kritisch gesichteten Literatur vermißt man neben Helene Herrmann James Joyce, der in jungen Jahren eine fast hymnische, aber zugleich rationale Kritik über Ibsens Spätwerk Wenn wir Toten erwachen mit der Tendenz zum Gesamtporträt des Dichters geschrieben hatte 2 .

Bernhardts Buch ist in erster Linie ein Beitrag zur Ibsen-Forschung. Es ent­spricht der noch immer wachsenden Bedeutung des skandinavischen Dramati­kers, der sich auf den deutschen Bühnen dank seiner weltanschaulichen Konse­quenz und dank seiner konzentrierten Gestaltungsweise endgültig gegenüber Gerhart Hauptmann durchgesetzt zu haben scheint. Ibsen und die Deutschen ist aber auch wichtig und fruchtbar für die Erforschung der Bewegung des deutschen Naturalismus und für die Beschäftigung mit Fontane.

Anmerkungen

1 Helene Herrmann: Ibsens Alterskunst. In: Zeitschrift für Ästhetik und All­gemeine Kunstwissenschaft, Stuttgart, Jg. 1 (1906), S. 506-525.

2 James Joyce: Ibsens neues Drama. In: Ausgewählte Schriften, Nachlese. Ver­lag Volk und Welt Berlin 1984, S. 33-61.

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