gcber, der Historiker Friedrich Meusel, hatte auswählen müssen, denn eine vollständige Wiedergabe der Erinnerungen mit etwa 5000 Seiten, teils Autobiographie, teils Zeitgeschichte mit umfangreichen Dokumententexten, wäre nicht möglich gewesen, doch wurde die zweite Ausgabe Marwitz' Persönlichkeit und Werk wesentlich besser gerecht.
In der nunmehr dritten Auswahl aus den Lebenserinnerungen hat sich Günter de Bruyn auf Autobiographisches konzentriert und somit den Erzähler Marwitz in den Vordergrund treten lassen, wobei er bedauert, daß das Werk trotz seines Umfangs unvollendet geblieben ist und im Jahre 1808 abbricht, denn berühmt wurde Marwitz erst danach. Aufgenommen sind die recht guten, allerdings auch recht einseitig gezeichneten Porträts von Zeitgenossen; so hat beispielsweise Marwitz von Hardenberg nur dessen ungünstige Eigenschaften geschildert.
Dem Nachwort hat Günter de Bruyn den Titel Opposition und Gehorsam gegeben. Darin beschreibt er Marwitz' aufsehenerregende Inhaftierung 1811 in der Spandauer Zitadelle (im dortigen Museum wird deshalb heute ein Bild von ihm gezeigt), einige Szenen aus den beiden Ehen sowie seinen Besuch in Friedersdorf mit deprimierenden Eindrücken. In dem 1945 heftig umkämpften Oderbruchdorf ist von Schloß und Park nichts geblieben, von der Kirche ein Torso mit zertrümmerten und zerbröckelnden Kunstwerken ...
Wie bei der anfangs erwähnten Auswahl aus Fontanes Wanderungen ist das, was der Herausgeber beigesteuert hat, mehr als ein Nachwort, es ist ein geschliffener Essay, ebenso gründlich wie kenntnisreich.
Im anschließenden Gespräch erfahren die Gäste, daß Günter de , Bruyn zur Besdiäftigung mit Marwitz vor allem durch die Lektüre des Romans Vor dem Sturm veranlaßt wurde. Er fragte sich, ob das Familienarchiv, das Fontane bei seinem Besuch 1860 einsehen konnte, noch erhalten ist. Seine Nachforschungen ergaben, daß es Anfang 1945 von Friedersdorf nach Groß Kreutz, ebenfalls Marwitz-Eigentum, gebracht wurde. Nach der Enteignung und Ausweisung der dortigen Gutsbesitzer gelangte das Archiv nach Belzig, wo es bis 1952 auf einem Schulboden lagerte und wo wertvolle Teile entnommen wurden, die später in der Bundesrepublik auftauchten. Was vom Manuskript der Nachrichten aus meinem Leben lür meine Nachkommen (so der vollständige Titel der Marwitz-Erinnerungen) noch vorhanden war, wurde 1952 vom Staatsarchiv (jetzt Landesarchiv) Potsdam übernommen.
Anderes Material liegt im Marburger Adelsarchiv. Angehörige der Familie von der Marwitz begrüßten es, daß fast achtzig Jahre nach der letzten Ausgabe nun wieder eine Auswahl aus dem Werk ihres Vorfahren erscheint, und stellten dafür einige Bilder aus ihrem Besitz zur Verfügung.
Soweit die Buchpremiere, deren Gäste, wie bei solchen Veranstaltungen üblich, einige »Hintergrundinformationen' erwartet hatten und auch durchaus auf ihre Kosten kamen.
Das Buch enthält 42 Kapitel aus Marwitz’ Erinnerungen, von seiner Herkunft und Kindheit bis zum Frieden 1807 und dem Tod der Mutter (1808). Günter
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