tierter Konservatismus bis ans Lebensende der Grundzug fontaneschen Schaffens war. Zitate, die dies beweisen, sind in Werken und Briefen zu finden, und die Gegenbeweise, die sich auch finden, ließen sich nach bewährten Mustern unterdrücken oder durch ein Zwar-Aber hinweginterpretieren, so daß ein in sich geschlossenes neues (zugegeben: auch uraltes) Lesemodell entstünde, das sowohl der Preußen-Rehabilitierung unserer Tage als auch dem aller Interpretation innewohnenden Drang nach lehrbarer Eindeutigkeit entspräche - leider aber nicht dem Werk selbst, das sich aller Festschreibung entzieht.' (24)
Dieser historischen und verfahrenstechnischen Situierung der kanonischen Lektüreweise, der sich der Band entgegenstellt, entspricht im großen und ganzen der Rückgriff, den er auf das Werk unternimmt. Die Untersuchungen konzentrieren sich auf die beiden Zeitabschnitte, in denen die Laufbahn des Erzählers Fontane beginnt und endet und wenden sich Hauptbezugspunkten der Diskussion zu, die um den politischen Schriftsteller geführt wird. Von seiner lebenslangen Bindung an die konservative Gallionsfigur des Generals von der Marwitz auf originelle Art thematisch und biographisch überdacht, sind dies einesteils die monumentalen kriegsgeschichtlichen Darstellungen (Dieter Bänsch) sowie die historischen Erzählungen Vor dem Sturm (Hugo Dittberner) und Schach von Wuthenow (Manfred Dutschke, Jürgen Manthey). Andernteils handelt es sich um die Romane (und Gedichte - Claudia Bickmann) des letzten Jahrzehnts (Andreas Poltermann - Frau Jenny Treibel, Peter Pütz - Effi Briest, Ulrich Fries und Hartmut Jaap - Der Stech- lin). Hinzu kommen Aufsätze über Fontanes zweite Englandreise (Fritz We- felmeyer), über seinen Realismus (Martin Swales), über die «Konstruktion weiblicher Subjektivität in Fontanes Romanen" (Ulrike Hanraths) und den Leser und Kritiker Fontane (Wilhelm Krull, der Gastredakteur des Bandes war). Ein vergleichender Ausblick richtet sich schließlich auf die Verfilmungen von Effi Briest durch Gründgens und Fassbinder (Anke-Marie Lohmeyer).
Gemessen am Resultat, schneidet die kulturgeschichtliche Methodik, mit der Bänsch und Wefelmeyer souverän umzugehen wissen, hervorragend ab. Obwohl Wefelmeyer die anglophile Grundeinstellung Fontanes unberücksichtigt läßt, vermag er die kulturkritische Haltung, die Fontane 1852 England gegenüber einnimmt, und das Zustandekommen des selektiven, ästheti- sierten Englandbildes in „Ein Sommer in London" aus dem interkulturellen Kontext neu zu bewerten und überzeugend mit den zwiespältigen Auswirkungen zu konfrontieren, die Fontanes Londoner Erfahrungen auf seine schriftstellerische Professionalisierung ausüben. Bänschs Arbeit ist ein Glanzstück des Bandes, das für das Verständnis der Kriegsbücher grundlegend bleiben wird; erbarmungslos zeigt es den preußisch-patriotischen — vaterländischen — Schriftsteller, wie er zu Werke geht, um zum bleibenden Heil und höheren Ruhm des Hohenzollernstaats das althergebrachte Poetische soldatischer Waffengänge gegen die massenhaften, technisierten, entmenschten Formen durchzusetzen, in denen ihm der moderne Krieg entgegentritt. „Die
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