Frau nicht (...) an eine der männlichen Hauptfiguren konzedieren: Mit ihr darf kein anderer das Glück erfahren. Aber ganz unabhängig von narrativ informierter Eifersucht: Melusine muß einsam bleiben, denn Beichten kommt nicht ohne Buße aus. Schließlich hat Melusine mit ihrem Schicksal den Preis zu zahlen, den die Handlungsstruktur des Romans - Niederschlag der für Fontane ungelösten, im Dialog sistierten politischen Problematik - fordert: Der Autor hat seiner Lieblingsfigur ein Opfer aufgeladen, das er (der) Wirklichkeit selbst schuldete." (201) Mit der Schuld, die auf das Sündenlamm übertragen wird, sind Fontanes politische Kompromisse seit 1848 gemeint. Ins Nachdenken versetzen solche Behauptungen allemal, doch über ein: Kann sein, kann sein auch nicht, ist nicht hinauszugelangen. Dagegen erscheint die Kritik der Interpretationsgeschichte des Stechlin in der Hauptsache schlüssig, und die Herleitung der Romanstrukturen, in die das eigentliche Politikum dieses politischen Romans verlegt wird, aus einer Geistesverfassung, die in der Beurteilung der eigenen Biographie und der zeitgeschichtlichen sozialen Aussichten mit sich selber uneins ist, verdient eine ernsthafte Überprüfung. Auch die Bestimmungen, die Poltermann für die Stellung von Frau Jenny Treibel in der Entwicklung des Fontaneschen Romanwerks gibt, die methodisch gewagten, aber im werkanalytischen Ansatz beachtlichen Beobachtungen Ulrike Hanraths zum Aufbau der Frauenfiguren, die Überlegungen Claudia Bickmanns und Anke-Marie Lohmeyers empfehlen sich der weiteren Diskussion. Peter Pützs Aufdeckung interliterarischer Implikationen in Effi Briest („Wenn Effi Briest läse, was Crampas empfiehlt . ..') spricht für sich.
Leider weist der Band auch ein Ärgernis auf, an dem sich bewahrheitet, daß ohne die philologischen Grundregeln nicht einmal eine ordentliche Chronologie gelingt. Vor der „Vita Theodor Fontane", die Claudia Mauelshagen verantwortet, müssen arglose Benutzer des Bandes gewarnt werden. Während die Bibliographie ein Hilfsmittel bietet, auf das sich, von Kleinigkeiten abgesehen, gut zurückgreifen läßt, mindert die Vita den angestrebten Gebrauchswert. Die bruchstückhaften Grundlagen, auf die sie sich stützt, sind großenteils veraltet, die Resultate weder durchdacht noch in sich folgerecht. Oder was soll man dazu sagen, daß einem das Jahr von Fontanes Verlobung mitgeteilt wird, das seiner Heirat aber nicht, daß die Gesprächspartner hergezählt werden, mit denen er 1859 in München zu tun hatte, ohne daß die Tatsache dieser Reise oder ihre Absichten mit einem Wort erwähnt werden, daß Georg Friedländer, wichtigster Briefpartner der Spätzeit, nicht vorkommt, während nicht selten ins überflüssigste Detail gegangen wird („Im Januar 1876 trifft sich im Haus von Heyden eine große Gesellschaft, auf der Zöllner Fontane die Stelle des .Ersten Sekretärs der Akademie der Künste' anbietet." [253]). Und so weiter. An manchen Urteilen, die eingestreut werden, imponiert vor allem der Mut zum Risiko. An der Stelle dieses Originalbeitrags hätten sich unprätentiöse, zuverlässige Annalen besser ausgenommen, wie sie die Fontane-Ausgabe des Aufbau-Verlags in Band III/2 der Autobiographischen Schriften bietet.
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