„Noch nach Ehebruch und Scheidung erkennt Holk nicht an, daß er selbst der Puppenspieler war, der dilettantisch an den Fäden seines Schicksals zog, sieht er sich als Opfer des moralischen Rigorismus seiner Frau (und der moralischen Unzuverlässigkeit Ebbas).' (283)
„Auch bei Tagträumen interveniert Christines Gewissen umgehend." (296)
Dennoch geben diese Zitate keinen ausreichenden Eindruck vom hier Geleisteten. Jedes neue Kapitel wirkt wie ein tieferer Schacht im Bergwerk. Ungemein spannend führt Liebrand vor, wie Schach und Victoire sich gegenseitig in die Tasche lügen, wie sich die Wunschbilder der Cecile-Figuren Zug-um-Zug ein- ander ausschalten, wie Petöfy und Innstetten ihr Leben „verpfuschen", weil sie der Welt weismachen müssen, daß in ihren Überlegungen das Gefühl keine Rolle spielt, oder wie das Ehepaar Holk sich in seinen Schwächen hochschaukelt, u. v. m. Man möchte der Autorin die Gelegenheit verschaffen, sich als Filmregisseur zu betätigen, so erlebbar sind ihre Interpretationen.
Und dennoch werden mich manche, die Das Ich und die Anderen schon in der Hand hatten, vielleicht einen Lügner schelten - einen solchen Eindruck hätten s i e davon nicht gehabt. Freilich, wer das Amerikanische nicht intus hat, der wird mit Liebrands Deutsch oft schlecht zu Rande kommen. Besonders die vor Begrifflichkeiten strotzenden Anfangskapitel und die Anfänge der einzelnen Kapitel erschweren die Lesbarkeit erheblich. Manche Aussage könnte viel einfacher formuliert sein, aber in alltäglichem Deutsch vielleicht anspruchsloser wirken als im hochmodischen Fremdwörterkleid. Wenn es „Selbstgespräch" gibt, wozu „Soliloquie" - wie betont man das auf deutsch? und in der Mehrzahl? Warum „konzedieren", wenn man etwas zugeben oder einräumen muß? Hier ein paar Stilblüten, auch solche, die dem Rez. (im Prinzip) aus der Seele sprechen:
„Daß von einer Hypostasierung des Ego auf der Ebene des manifesten Textes nicht zu reden ist, daß der Ich-Erzähler und Autor sich selbst nicht ostentativ zelebriert, negiert nicht die Existenz von Tagträumen und Großartigkeitsphantasien, es zeigt nur, daß diese Schicht infantilen Wünschens von Fontane besonders stark tabuiert und mit erheblichem schreibtechnischem Aufwand verborgen wird." (25)
„Die kostbare Tröstung, die Fontane sich spendete, war der Nachweis, daß seine ästhetische Disposition nicht koinzidentiell und akzidentiell, sondern ihm genuin zugehörig sei." (51)
„Für uns läßt sich in einer solchen dialogischen Konstellation äußerst präzise eruieren, nach welchen Mechanismen, die face-to-face-Interaktion der Gesprächspartner abläuft, wie Selbst- und Fremderkenntnis interferieren, wer den Ablauf des Gesprächs bestimmt, Gegenstände und Perspektiven vorgibt, von welchen Rahmenbedingungen der Kommunikation die Beteiligten ausgehen.' (254)
Mit Mühe unterdrückt man den satirischen Impuls.
Positiv empfindet man wieder das Schlußkapitel 8 mit der Rekapitulation und Zusammenfassung vieler kluger Bemerkungen, wie besonders diese:
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