3 Frau Jenny Treibel. ,Drum prüfe, wer sich ewig bindet'. - Interpretationen. Fs. Novellen und Romane. - Hrsg. Christian Grawe - Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1991, S. 212.
Fontane-Brevier, Hrsg. v. Bettina Plett. - Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1990, 333 S.
(Rez.: Otfried Keiler, Berlin)
Ein weiteres handliches „Reclam-Lesebuch" findet Tausende von Käufern in kurzer Zeit. Der Einband zeigt jenen nachdenklich-beobachtenden Wanderer Theodor Fontane auf der Neuruppiner Steinbank, der mit diesem Denkmal von Max Wiese seit 1908 um die Welt ging. Knospende Bäume und Sträucher in zartem Blau-Grau bilden den Hintergrund der Photographie und deuten auf einen neuen Frühling. Das Büchlein im glänzenden Hardcover liegt gut in der Hand. Wie seriös aber ist so ein »Fontane für die Westentasche"?
So lautete die Frage, als die Herausgeberin 1985 vier ähnliche Publikationen durchsah und sie in den „Fontane-Blättern" (Heft 40; S. 232-237) rezensierte. Gewogen und für zu leicht befunden, könnte man zusammenfassen. Drei davon waren allein 1984 erschienen, was immerhin dafür sprechen könnte, daß es einen wachsenden Bedarf dafür gibt, Fontane als Vademecum bei sich zu führen.
Jede Auswahl dieser Art (so Bettina Plett 1985) sei mit dem Makel des Fragmentarischen behaftet, weil Texte und Kontexte zerschnitten werden müßten. Der Humor mancher Passagen verkäme ohne Beziehungsfeld, das absichtsvoll Relative würde zum Absoluten, s o von Fontane nicht Gemeinten herabgekühlt. Ist das nun nicht mehr richtig? Wer die Arbeiten der Autorin (Herausgeberin ist tiefgestaltelt) kennt, weiß, daß sie nach einem Ausweg suchen würde. Ihr schönes Buch über die Kunst der Allusion (Böhlau, Köln-Wien 1986) ist längst zu einer Art Handbuch für alle geworden, die Kon-Texte im engeren Sinn, nämlich Anspielungen und Zitate bei Fontane suchen. Aber selbst wenn es in einem Brevier gelingen könnte, die Auswahl, die Nachweise und weiterführenden Texte solider zu begründen und übersichtlich zu halten, bliebe doch das Dilemma, einen Fontane „für alle Lagen", ein Brevier mit „Lebenskunst" zu finden und zu erfinden. Zu naheliegend ist die Gefahr, ein Poesiealbum mit „verniedlichendem Zuckerguß' zusammenzustellen. Ein überreiches Gesamtwerk ist auf Flaschen zu ziehen. Wie also dem Wunsch der Verlage und vieler Leser entsprechen, ohne in die bei anderen scharf beobachteten Niederungen der Verharmlosung und blassen Sentenzenhaftigkeit zu geraten?
Um es vorwegzunehmen: Es ist ein guter „Jahrgang" geworden, und das Einfache, das so schwer zu machen ist, nämlich Fachwelt wie Liebhaber anzuregen
149