zum Weiterlesen, dürfte gelungen sein. Reclam muß nachdrucken. Die schöne und zweckmäßige Ausstattung kommt dazu: dunkelrotes Vorsatzblatt, 22 Abbildungen mit z. T. seltenen Fontane-Bildnissen (so S. 299), eine Zeittafel zum Schluß und ein überaus leserfreundliches Textnachweissystem, das den Fachgelehrten ebenso befriedigt wie den Leser, der hier zum ersten Mal mit den verzweigten Ergebnissen einer speziellen Philologie bekannt wird. In einer sieben Seiten langen Einleitung wird Rechenschaft über die Methode abgelegt. Ich übergehe dies im Detail.
Aber schon in dieser Anlage steckt ein Teil des Erfolges bei einem so breit gestaffelten Publikum. Wenn ich mein keineswegs wirkungsloses Brevier aus dem Jahre 1939 zur Hand nehme (Fontane oder die Kunst zu Leben. Ein Brevier. Hrsg. v. Ludwig Reimers. Dieterische Verlagsbuchhandlung zu Leipzig), so wurde dort Übersichtlichkeit angestrebt, indem die nicht näher begründete Textauswahl nach Lebensperioden gegliedert wird (Lehrjahre, Wanderjahre, Meisterjahre). Sieben Seiten über die Persönlichkeit des Dichters sind natürlich eine Begründung, und ich mag auch nicht vorweg verteufeln, daß da jemand seinen Fontane vor die Leser stellt. Freilich verkürzt dieses Verfahren zweifach die Einblicke, die es durchaus gewährt. Einmal durch den Zwang jeder begrenzten Auswahl, zum anderen durch die Zwänge, dieses Bild »passend' zu machen. Gleichwohl gelingt eine Annäherung an die Biographie, die in kurzen Überleitungen eingestreut wird. Aber die Folgen sind leider eine fatale Geschlossenheit des Bildes, das niemals vollständig sein kann. Und eben da hat Bettina Plett einen Schlüssel gefunden, der sie vor Einseitigkeiten bewahrt.
Sie verzichtet auf Überblicke, nicht aber auf Themengruppen, die gewisse Felder abstecken. Indem sie innerhalb der Themengruppen historisch-chronologisch anordnet, bricht sie allzu starre Sentenzen, die auch sie bringen muß, auf und relativiert nicht zuletzt durch eine Auswahl, die auf Widersprüche aus ist. Auch die Themengruppen haben einen Trend zur Einengung. Aber in dieser Hinsicht setzt sich Fontane durch, der sich nicht einengen läßt, immer wieder über die Grenzen schwappt — weil sein Geist, seine Gedichte (die immer vollständig zitiert werden), seine Briefe so lebendig sind, daß die einzelne »Flasche' ständig zum Platzen neigt, so stark moussiert das Lebensgetränk in ihr.
Kindheit und Jugend, Ehe und Familie, Erziehung und Bildung, Beruf und Berufung, Reisen und Wanderungen, Politik und Geschichte, Kritikerjahre und Gesellschaft(en), Kunst und Literatur, Zeitgenossen, Selbst- und Weltbilder, Alter und Tod - schon beim Aufzählen wird die permanente Grenzüberschreitung sichtbar.
Auf Seite 157, im Kapitel »Gesellschaft(en)' lesen wir aus einem Brief an Heyse vom 28. 11. 1859:
.Als ich von England zurückkam. erschrak ich; ich fand, die Menschen hier hatten alle verzerrte Gesichter. Das macht, sie sind viel in Gesellschalt, und zeigen, halb von Geschäfts wegen... eine Freudigkeit, von der ihr bluten- 150