Untersuchungsebenen. Der Text leistet dabei nicht nur einen gewichtigen Beitrag zur Fontane-Forschung, sondern auch zur Geschichte der Literaturkritik im 19. Jahrhundert, zur Darstellung der spezifischen Presseentwicklung im märkisch-berlinischen Raum sowie zur Verifikation der Beziehungen zwischen Medien und Literatur, d. h. auch zu sich ganz eigenartig in dieser Zeit verändernden Literaturverhältnissen.
Die Untersuchung intendiert, so die Verfasserin in der Einleitung, ein exemplarisches Aufzeigen, »in welchem Maße sozialgeschichtlich orientierte Rezeptionsforschung durch die Untersuchung der literaturkritischen Zeugnisse ausgewählter Medien sowohl die Rezeptionspraxis eines Zeitraumes zu erfassen in der Lage ist, wie auch — auf deren Hintergrund - die spezifische Rezeption eines Autors sehr viel genauer in Hinblick auf die Determinanten des Rezensentenurteils zu bestimmen vermag'. (S. 1)
Vor diesem Hintergrund orientiert sich die Verfasserin auf die Art und Weise und die Gründe des jeweiligen Textverstehens, um daraus herleitend Rückschlüsse auf das Objekt der Rezeption ziehen zu können. Die Konzentration der Untersuchung auf den Literaturkritiker bzw. die Literaturkritik impliziert nicht den Anspruch auf die Darstellung des gesamten Kommunikationsprozesses dieser Zeit, jedoch wird hier die Möglichkeit eröffnet, Rückschlüsse auf das literarische Publikum einsehbar werden zu lassen. Rezeption und deren Vermittlung stellt die Verfasserin in den Konstitutionszusammenhang der allgemeinen gesellschaftlichen Praxis, d. h., Aussagen der Literaturkritiker werden konsequent in ihrer Abhängigkeit von zeitbezogen geltenden Normen, Werten, Meinungen und Ansichten exemplarisch vorgeführt. Es geht so vor allem um die Erschließung eines konkreten .Kommunikationsraumes' (S. 4) mit seinen soziokulturellen Determinanten. Nicht nur der im Zentrum der Darstellung stehende Theodor Fontane als Literaturkritiker sowie als Objekt der Literaturkritik, sondern der umfassende Kontext der Literaturkritik und Entwicklungslinien der Fontane-Rezeptionsforschung werden ebenfalls einbezogen.
Die exemplarische Auswahl der Zeitungen »Die Neue Preussische (Kreuz) Zeitung' und .Die Vossische Zeitung' (Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen) erfährt in den sehr divergenten, ja kontroversen politischen Standorten ebenso ihre Begründung wie im kritischen Interesse beider Publikationsorgane gegenüber Theodor Fontane. Die zeitliche Zäsur wird von der Verfasserin mit dem Jahr 1860 (Eintritt Fontanes in die »Kreuz-Zeitung') bis ein Jahr nach dem Tod des Dichters markiert.
Im zweiten, ebenfalls die eigentliche Untersuchung noch einleitenden Kapitel erfolgt der Versuch einer definitorischen Abgrenzung des Begriffes »Literaturkritik' sowie dessen Einbettung in den kommunikativen Kontext der Medien, wobei die Intention der Arbeit mit Blick auf den literarischen Kommunikationsprozeß präzisiert wird: »Es ist also die Nahtstelle aufzusuchen, wo Literatur per Kritik konkretisiert wird, wo sie durch Verarbeitungsstrategien in Medien (...) dem Leser einen .vermittelten' Erfahrungshorizont vorstellt; (...).' (S. 18)
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