Sylvain Guarda: Theodor Fontane und das „Schau-Spiel". Die Künstlergestalten als Bedeutungsträger seines Romanwerks. New York, Bern, Frankfurt am Main, Paris: Peter Lang 1990. (=American University Studies. Series I. Ger- raanic Languages and Literatur es. 87.) 123 S.
(Rez.: Beatrix Müller-Kampel, Graz)
Vier Augen sehen mehr als zwei. So will es das Sprichwort. Vier Studien zu einem Thema erbringen mehr als eine. So will es nach wie vor die Mehrheit der Literaturwissenschaftler Innen. Wohl auch deshalb schreckte Sylvain Guarda nicht davor zurück, mit seiner Studie zu Theodor Fontane und das „ Schau-Spiel Die Künstlergestalten als Bedeutungsträger seines Romanwerks den bislang erschienenen Arbeiten über die Kunst- und Literaturmotivik in der Erzählprosa Fontanes 1 eine weitere hinzuzufügen. S. G. rechtfertigt dies mit dem - nicht ganz korrekten - Argument, „daß innerhalb der Fontane-Forschung noch keine Untersuchung über die Funktion der Künstlergestalten im Romanwerk vorliegt' (S. 3). 2 Er setzt sich zum „Ziel in Analyse und Interpretation der Frage nach Fontanes Verhältnis zur Welt der Darstellung und der Täuschung nachzugehen' (S. 3 f.). Den methodischen Angelpunkt bildet dabei die teils nacherzählend-nachvollziehende, teils an der Biographie Fontanes orientierte Interpretation ausgewählter Künstlergestalten in ihrer textfunktionalen Beziehung zu den Hauptfiguren. Als Korrespondenz- oder Kontrastfiguren werden bestimmt und untersucht: die Soubrette und spätere Gräfin Franziska Franz und ihre Kollegin Euphemia La Grange in Graf Petöfy (Kap. II); Frau von St. Ar- naud und die Malerin Rosa Hexel in Cecile (Kap. 3.1); Witwe Pauline Pittelkow und die Schauspielerin Wanda Grützmacher in Stine (Kap. 3.2); Effi Briest und die Konzertsängerin Marietta Trippelli in Effi Briest (Kap. 3.3) und schließlich der Jurastudent und nachmalige Bürgermeister Hugo Großmann und der blaublütige Statist Hans Rybinski in Mathilde Möhring (Kap. 3.4). Da sich der Verfasser vornehmlich „Eingang" in den „Kern von Fontanes ambivalenter Künstlerpersönlichkeit" verschaffen will (S. 93) und überdies ein grundsätzliches Mißtrauen gegen die in der bisherigen Forschungsliteratur geortete „Überbetonung des sozialhistorischen Aspekts bei Fontane" S. 1) wie auch gegen verallgemeinernde, von der Person des Autors absehende Systematisierungen und Synthesen hegt (vgl. S. 93), begnügt sich S. G. zur Bestätigung, Erläuterung, Verdeutlichung seiner aus der „inneren Logik" der Romane erschlossenen Vermutungen (S. 26) mit Verweisen auf kunstkritische Stellungnahmen Fontanes in Theaterkritiken oder Briefen. Die „Theaterplaudereien' stünden überhaupt „in einem komplementären Verhältnis zu seinen Romanen, befruchten diese durch Erkenntnis und Humor. Fontanes Künstlergestalten sind in diesem Sinne nicht aus der reinen Phantasie geboren, sondern aus dem Zusammenspiel zweier Schaffensprinzipien, namentlich einer kritischen Beobachtungsgabe und eines schöpferischen Einfühlungsvermögens (S. 26). Den Nachweis dafür sucht der Verfasser durch einen (recht eingängigen) Vergleich der fiktiven Bühnenkünstlerinnen Franziska Franz und Euphemia La Grange
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