mit Fontanes kritischen Äußerungen über die Schauspielerinnen Paula Conrad (1860-1938) und Clara Ziegler (1844-1909) (Kap. 2.3) sowie mit einem (leider recht lückenhaft gebliebenen) Kapitel über »Fontanes Kunstauffassung' (Kap. 2.4) zu erbringen. Ein abschließendes Resümee der Einzelinterpretationen gelangt zum Ergebnis, daß die beschriebenen »Künstlerfiguren mit Ausnahme von Franziska Franz und Rosa Hexel [...] sich als die Vertreter eines auf Eigenliebe und Selbstbeweihräucherung bedachten Künstlertums' auswiesen, das „im Licht von Fontanes Theaterkritik mit der ,echten' Kunst wenig zu schaffen hat' (S. 94) - auch S. G. kommt, wie man sieht, nicht ohne Verallgemeinerungen aus. »Sie vertreten', fährt der Verfasser fort, »die zeitgenössische Soldateska der Kunst, die ihr Leben auf den gesellschaftlichen Mythus des Ruhmes eingeschworen hat. Diese Künstlerfiguren heischen für ihre künstlerischen Dienstleistungen den gesellschaftlichen Lorbeerkranz, der ihnen den Weg ins Glück freilegen soll. Dennoch zeigt der Dichter, daß ihr Anspruch auf Freiheit und Glück in Wahrheit nur Ausdruck einer zunehmenderen [!] Versklavung an die Gesellschaft und ihre ideologischen Götzenbilder ist, als deren Marionetten und Träger sie fungieren.' (S. 94)
Die Vorzüge der Studie liegen im interpretatorischen Detail. Für die künftige Fontane-Forschung werden sich einige Beobachtungen zu Figuren oder Geschehenselementen als durchaus nützlich erweisen - etwa jene, daß die Gestalt der Franziska Franz (Graf Petöfy) »auf naive Weise den Aufstiegswillen des Bürgertums' vergegenwärtige und »zugleich das Opfer ihrer bürgerlichen Kunstausrichtung' sei (S. 18). Überlegungswert ist auch die Idee, hinter dem Streit zwischen Pauline Pittelkow und der Kartoffelkomödiantin Wanda Grütz- macher (Stine) konzeptionell eine »Standortbestimmung der Kunst' zu vermuten; Fontane führe hier „das Theater als bürgerliche Bildungsanstalt und öffentliche Stätte der Bewährung menschlicher Tiefen, wie ein Schiller es verstand, ad absurdum. Der Schauspieler ist für Fontane notwendig unfrei. (...) Wanda erscheint im Vergleich zu der pflichtbewußten Witwe Pittelkow als gesellschaftlich freier, ist aber in Wirklichkeit derart vergesellschaftet, daß sie in ihrem marionettenhaften Spiel die ganze Elisabethanische Ideologie der Zeit mitreflektiert.' (S. 68) Gleich Wanda wie auch Euphemia La Grange lebe auch die burschikose Konzertsängerin Marietta Trippelli (Effi Briest) - nebenbei vermeint S. G. in dieser Figur eine personifizierte Persiflage der preußischen Idee zu erkennen (vgl. S. 82) - »zwischen zwei Welten und unterordnet (!) die ,Kunst' ihrem kleinen .Glück' oder ihrem ,Ruf', wodurch sie sich über die .Tagesordnungen' erhaben wissen möchte' (S. 82). So aufschlußreich derlei Einsichten für das Verständnis von Fontanes Romankonzepten im einzelnen sein mögen, so sehr entlarven die Formulierungen auch die methodische Inkonsequenz der Argumentation, denn mit dem Rekurs auf das zeitgenössische Theater, das »Bürgerliche", die »Mißstände eines politisch mißbrauchten Theaters", denen die historischen wie fiktiven Schauspielerinnen ausgesetzt gewesen seien, auf die .Eingebundenheit' der Künstlergestalten »in die gesellschaftliche Erfolgsdialektik' (S. 94) bemüht S. G. Kategorien, welchen er tunlichst aus dem Weg zu gehen versprach: jene des Soziologischen und Sozialgeschichtlichen. Überhaupt offenbart sich an diesem Widerspruch das Dilemma des gewählten
160