storiker die Sicht auf die Geschichte der Mark weitgehend bestimmte, hängt nicht nur mit Fontanes verständlicherer und unterhaltsamerer Schreibart zusammen, sondern auch mit seiner Ortskenntnis und Detailliebe, die ihn veranlassen, immer konkret zu sein. Ihm formt sich die Geschichte meist zur Ortsund Personenbeschreibung. Er gibt nicht nur theoretisches Wissen, sondern anschauliche Bilder. Ihm gelingt es zu zeigen, daß auch die ärmsten Teile der Mark Interessantes zu bieten haben, wenn man es nicht nur zu finden, sondern auch in seiner Bedeutung zu erkennen vermag. „Auf Reisen ", so lautet eine seiner übertrieben formulierten Maximen, „sieht man nur, was man weiß."
Die beiden Herausgeber, in Sachen Photographie und historischer Bilddokumentation bestens bewandert, wollten mit dem Buch die reichen Bestände des Märkischen Museums sowie der Berliner Galerie an historischen Photos und die vorzüglichen Reproduktions- und Publikationsmöglichkeiten bei Nicolai nutzen, um eine Auswahl photographischer Aufnahmen märkischer Orte von einst einem weitgefächerten Publikumsinteresse zugänglich zu machen. Ihr Bestreben war es dabei, „... der Essenz dessen nachzuspüren, was sich in dem Wort .Ansichten' verbirgt..und zwar in dessen doppeltem Sinne, das Sichtbare eines Gegenstandes, doch zugleich die Meinung des anschauenden und aufnehmenden Menschen zu diesem Gegenstand zum Ausdruck zu bringen. In diesem Falle hieß das, Örtlichkeiten der Mark Brandenburg, wie sie zu einem bestimmten, längst vergangenen Zeitpunkt aus gesehen hatten, dokumentarisch getreu wiederzugeben, doch dem Betrachter von heute auch deutlich werden zu lassen, wie der Photograph diese Örtlichkeiten seinerzeit angesehen, was er an ihnen für wichtig, welche Art sie abzubilden er für richtig gehalten hatte. Ein hoher Anspruch! Die Herausgeber sind ihm, so empfindet es der Rezensent, weitgehend gerecht geworden.
Der Bilderfundus, aus dem Frecot und Gottschalk schöpfen konnten, war im Verlaufe eines Dreivierteljahrhunderts entstanden. In dieser Zeitspanne zwischen 1865 und 1940 - man kann es beim Vergleich der Abbildungen feststellen - veränderte sich nicht nur das märkische Land unter dem Einfluß von Industrie und expandierendem Städtebau gravierend, auch die Technik der Photographie und die Kunst, sich ihrer zu bedienen, vervollkommneten sich beträchtlich. Daß dennoch ein Album von erstaunlicher Ebenmäßigkeit der Bildqualität zustandekam: die ältesten Photowiedergaben kaum weniger ausdrucksstark und scharf konturiert als die jüngsten, das ist wohl vor allem dem geübten Blick und der Strenge der Herausgeber zu danken, mit der sie unter den Originalen die Besten auswählten. Dies sei ebenso hervorgehoben wie das Bemühen Frecots und Gottschalks, die Bildauffassungen der Photographen jener Zeit zur Geltung zu bringen, eine Auffassung, „... die sich dem Gegenstand mit Bedacht widmet und ihm seine Würde beläßt." Dazu Günter de Bruyn: »Fontanes Beschreibungen des Stechlin-, des Scharmützel- oder des Huwenow-Sees, Leistikows Grunewald-Bilder und die Landschaftsaufnahmen von Schwartz und Missmann haben nicht nur die gleichen Motive, sie betrachten sie auch aus ähnlicher Sicht. Es ist die Natursicht des Großstädters, der, auf der Flucht vor Menschengewühl und Hektik, in der Landschaft weni-
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