Heft 
(1991) 52
Seite
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ger das Liebliche oder Erhabene sucht als vielmehr die Stille, die seine stän­dige Angespanntheit beruhigt und ihn die Sorgen seines naturfernen Lebens vergessen läßt. Weltabgeschiedenheit, Einsamkeit, Urwüchsigkeit sind die ge­suchten Werte, die sich auch in einer armseligen Bauernkate verkörpern kön­nen; und da man von der Unaufhaltsamkeit des technischen Fortschritts weiß, sieht man sie als vergängliche Werte, von leichter Trauer umweht.'

Was finden wir in dem Buch? Bilder märkischer Kleinstädte und Dörfer, Stra­ßenszenen, noch ganz von Fußgängern, Pferd und Wagen belebt, kein Auto ist zu sehen. Ansehnliche Bauten blicken uns an, manche bis in unsere Tage erhalten, aber auch vergangene Kostbarkeiten märkischer Architektur, ganze Häuserfronten, die unter dem Bomben- und Granatenhagel des letzten Krieges in Schutt und Asche sanken oder irgendwann abgerissen wurden, weil sie, baufällig, nicht mehr zu retten schienen oder neuen Zweckbauten weichen mußten. Wir erblicken märkische Seen, Wälder und Auen, wie man ihnen in stillen Winkeln noch heute begegnen kann. Wir schauen auf Schlösser und Gutshöfe, auf alte Rat- und Schulhäuser, Kirchen und Klosterruinen. Dies und anderes Lebensnotwendige früherer Zeiten, von märkischen Handwerkern er­baut, von märkischen Bürgern, Bauern, Fischern und Fuhrleuten genutzt, ver­mittelt uns dieses Buch. Doch was besagen solche dürren Hinweise, Lassen wir besser noch einmal Günter de Bruyn zu Worte kommen: »Das ,Tauwetter' Max Missmanns kann die dem Titel entsprechende Gefühlslage gut wieder­geben, auch wenn man die Landstraße, die das Bild darstellt, nicht kennt. Weiß man aber, daß es sich dabei um die Straße von Baumschulenweg nach Treptow handelt, hat genaue Kenntnis vom heutigen Zustand der Gegend zwi­schen Berlin-Baumschulenweg und Berlin-Treptow und kann trotzdem beim besten Willen nichts wiedererkennen, wird der Gefühlseindruck um eine Er­kenntnis, nämlich die der Veränderbarkeit, vermehrt. Besonderen Reiz aber haben die alten Photographien, die Überreste einer Vergangenheit zeigen, die auch schon damals vergangen war. Mit den Augen der Alten blicken wir auf das Uralte, sehen das Vorgestern, wie es gestern gewesen ist.' Dies ver­rät etwas vom Geist des Buches.

Vollständigkeit wurde von den Herausgebern nicht erstrebt, weder geschicht­liche, noch topographische, und man vermißt sie nicht. Ein Ortsverzeichnis am Schluß freilich hätte dem Leser das Suchen und Finden erleichtern können. Den Lesern der Fontane-Blätter seien die Märkischen Ansichten trotz ihres stolzen, nicht eben volkstümlichen Preises von 68 Mark freundlich empfohlen. Sie werden gewiß lange ihre Freude daran haben.

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