Heft 
(1991) 52
Seite
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Die Verfasserin hofft, durch eine sorgfältige Diagnose der Musik-Szenen in Fontanes Romanen aus der Sicht des Musikers auch hier zu einer späten Wie­dergutmachung beigetragen zu haben.

Trost*

Text: Theodor Fontane Komposition für Gesang und Klavier:

Rudolf Wagner-Regeny

Tröste dich, die Stunden eilen,

Und was all dich drücken mag,

Auch das Schlimmste kann nicht weilen,

Und es kommt ein andrer Tag.

In dem ew'gen Kommen, Schwinden,

Wie der Schmerz liegt auch das Glück,

Und auch heitre Bilder finden Ihren Weg zu dir zurück.

Harre, holle. Nicht vegebens Zähltest du der Stunden Schlag,

Wechsel ist das Los des Lebens Und - es kommt ein andrer Tag.

Das Gedicht Trost schrieb Fontane in einer kritischen Lebensphase. Seine Frau hatte kein Verständnis dafür gezeigt, daß er seinen Brotberuf als Sekretär der Preußischen Akademie der Künste aufgab, um als freier Schriftsteller zu leben. Das eheliche Zerwürfnis machte ihm schwer zu schaffen. Aus dem an sich selbst gerichtetenGelegenheitsgedicht", das er später beziehungsvoll in seinen ersten Roman Vor dem Sturm aufnahm, wurde eine Botschaft für viele Be­drückte. Es ist darum bis heute in vielen Gedichtanthologien zu finden.

Im Roman läßt der Dichter das Gedicht von Lewin von Vitzewitz niederschrei­ben, spontan, in einem Zuge.2 Eine geplante Vorlesung des Gedichtes im Lite­ratenvereinKastalia" zieht Lewin mit der Begründung zurück, esbedürfe noch der Feile".

Das Gedicht blieb indessen in allen Gedichtausgaben unverändert - bis auf die Interpunktion - und mit Recht. Ein Trost, ausgefeilt und nach Mörike- Muster subtil durchgeformt, hätte allenfalls ästhetischen Wert, fände aber kaum über die Rampe schöner Worte. Fontanes Gedicht begnügt sich mit dem schlichten und jedermann vertrauten Alltagsvokabular, das getragen wird von den Imperativentröste dich",harre",hoffe". Aber es sind doch Kunstgriffe spürbar. Der Dichter wählt den vierhebigen Trochäus, den er sonst nicht eben

* Text nach der dreibändigen Gedichtausgabe des Aufbau-Verlages, Berlin und Weimar 1989, Bd. 1, S. 44 - 45 .

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