Heft 
(1992) 53
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hatte, gab auch sie auf und verließ Waren. Die beiden "Kolleginnen" Mete und Auguste hätten gewiß reichlich Gesprächsstoff gehabt.

Wen konnten die Fritschs in Waren sonst noch treffen? Einer der Ärzte - Dr. Dulitz oder Dr. Waldau? - ist auf einem Gruppenbild festgehalten, das wohl anläßlich einer Familienfeier aufgenommen wurde. Unterhalb des Grundstücks, an der Müritzpromenade, hat sich die Familie postiert. Ein alter Herr - nach Frau Prieps Auskunft der Arzt - zieht seinen Hut vor der Dame des Hauses, ein Blumenge­binde in der Hand. Am Warener Gymnasium unterrichtete damals Professor Wossidlo, der mecklenburgische Volkstumsforscher. Etwa gleichaltrig waren auch Musikdirektor Otto Köhler und der Pädagoge Dr. Michaelis, die ein reges Mu­sikleben in Waren aufbauten. Sicher haben Fritschs mit Anteilnahme die Ent­wicklung des jungen Fotografen Paul Boldt verfolgt, der sich als Bariton und Chorleiter einen Namen machte und dem wir eine Serie wertvoller Fotos von dem Grundstück Villenstraße 1 bis 3 verdanken.

Frau Professor Fritsch

In Berlin war sie Mete Fontane gewesen. In Waren war sie Frau Professor Mar­tha Fritsch. In diese Ehe hatte sie mit einem gewissen Selbstgefühl gehen kön­nen: Sie war nicht mehr das mittellose Mädchen von einst. Ihres Vaters Jugend­freund Friedrich Witte hatte ihr eine beträchtliche Summe - 12 000 Mark - ver­erbt, und nach des Vaters Tod war sie Mitbesitzerin seines Nachlasses. Auch hatte sie vermutlich Einfluß auf ihren Mann - wieso hätte er wohl sonst die Warener Tannen für seinen Sommersitz gewählt. Professor Dr. Ing. Karl Emil Otto Fritsch hatte als Sechzigjähriger, als er mit Martha nach Waren zog, sich schon aus der eigentlichen Berufsarbeit gelöst und nur noch einige beratende und fördernde Aufgaben in seiner Hand behalten. Noch 1907 schreibt Mete, sie werde in den nächsten Tagen ihren Mann nach Berlin begleiten, wo er "seine Vierteljahrssitzung" habe. In dem Brief nennt sie ihn K. E. O.! 33 Sein 70. Geburts­tag wurde, natürlich in Berlin, offiziell gefeiert. Die Technische Hochschule in Dresden überreichte ihm das Ehrendoktordiplom. Neben seiner Bedeutung als Architekt wurden vor allem seine Verdienste um das Fachblatt gewürdigt, das er 1866 gegründet hatte und noch immer leitete. 34 Daß er es schon vor dem Werden des Deutschen Reiches "Deutsche Bauzeitung" genannt und damit der politischen Entwicklung vorgegriffen hatte, wurde in der prunkenden Rhetorik jener Zeit gebührend hervorgehoben:

"Noch vor der politischen Umwälzung des Jahres 1870, einige Jahre bevor unsere deutschen Heere in stürmendem Siegeslauf das hochragende Brückenbauwerk über die Mainlinie entstehen ließen, nicht aus Eisen und Zement, sondern aus Eisen und Blut - Blut ist ein besserer Kitt als Zement noch einige Jahre vorher war für die deutschen Bauleute schon eine geistige Brücke

g eschlagen zwischen Süd und Nord, Ost und West, denn mit der Deutschen Bauzeitung war ein Banner errichtet, unter dem sich alle Fachgenossen einmütig scharen sollten als ein einig Volk von Brüdern."

Für Mete, kritikfroh, politisch liberal denkend und an der klaren, natürlichen Sprache Theodor Fontanes geschult, mag diese geschraubte Lobeserhebung grauslich geklungen haben. Wo wir gerne detaillierte Auskünfte gehört hätten, gerade da wird der Bauzeitungsbericht spröde: Martha Fritsch wird nur in einem Halbsatz erwähnt: "Es brachten darauf Herr Eiseier ein Hoch aus auf die Technische Hochschule in Dresden, während Herr Stübben seinen Toast der Gemahlin des Jubilars widmete." 34a

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