Heft 
(1992) 53
Seite
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Den Freunden Paul und Paula Schlenther, die inzwischen nach Wien gezogen waren, vertraut sie sich an. 50 In den ersten Jahren klagt sie nur allgemein über "schlechten Gesundheitszustand", über das "moderne Tempo", das von ihr ge­fordert werde und das ihr sehr quälend sei. Schmerzlich sind ihr auch die Un­verträglichkeiten, die unter ihren Brüdern gängig sind: "Unser Theo ist chro­nisch unzufrieden mit uns, weil wir seine Ungerechtigkeiten und Gehässigkei­ten gegen Friedel nicht immer übergehen... Wo unser Senior weilt, wissen wir überhaupt nicht - jedenfalls auf einem anderen Stern." Und Metes Ehe? Acht Jahre vor ihrer Heirat hatte sie - einem Brief Fontanes an Friedlaender vom 2.12.1892 zufolge - recht skeptisch geurteilt, sie würde "jede Ehe, die sich nicht in Furchtbarkeiten ergeht, eine glückliche Ehe" nennen. In diesem Sinne wird ihr Zusammenleben mit Fritsch "eine glückliche Ehe" gewesen sein. Aber - hat der zwanzig Jahre ältere Architekturprofessor, zum dritten Mal verheiratet, die Sehnsüchte seiner kritisch klugen, sensiblen Partnerin überhaupt erfassen kön­nen? Mete klagt: "Hätte man nicht Natur und Kunst und ein gutes Bett, so wäre die Herzenseinsamkeit, in der man lebt, einfach grauslich." Denkt so eine wirk­lich glücklich verheiratete Frau? Nach des Vaters Tod, nach Paul Schlenthers Fortzug, mußte wohl ihr Herz einsam bleiben. Gelegentlich denken sie daran, den Warener Besitz zu verkaufen, da die Erben ja doch kein Interesse daran haben. "Teuer ist es auch mächtig." Ein bißchen sehnsüchtig erinnert Mete sich an ihre "kleine Koje in 134 c, in der es meistens hübscher war und die ganze 'Flucht' nur 860 Mark kostete... Wir verwohnen an die 12 000 Mark, was nicht richtig ist." Aber zurück nach Berlin? Nein! Die Winterwohnung im Berliner Stadtkern haben sie schon seit einigen Jahren aufgegeben und mit einer Grune- waldwohnung vertauscht, die im Sommer "eingemottet" wird. Die ist kalt, und Mete fürchtet sich vor dem Winter dort. Im Grunewald wird der Brief geschrie­ben, der nun auch das Altern des sonst so frischen älteren Ehemannes beklagt. Es ist im Winter 1913, anderthalb Jahre vor Fritschs Tod, als sie den Freunden berichtet: "Bei uns sieht es zudem so aus, daß wir am besten allein in Geduld die Tage hinnehmen. Ich selbst bin seit nahezu zwei Jahren ohne jede Abwechs­lung vom Wechsel gepeinigt und meinen Mann werden Sie traurig verändert finden: Gicht und Niere haben seine schöne Rüstigkeit gebrochen, und wir kom­men aus der Krückenatmosphäre nicht mehr heraus; fast ständig haben wir eine Schwester im Haus (sonst litt ich doch mehr unter Brüdern) und mein Verhält­nis zur Apotheke ist fast inniger als das meiner Vorfahren." 50a Man sieht, ihren Esprit hat Mete trotz allem noch nicht verloren, aber der Humor ist bitter.

Im Sommer 1915 stirbt Metes Mann. Im Bestattungsbuch der Friedhofsverwal- tung steht: "Professor Fritsch - 4. September 1915 - ein Platz - Berlin." 51 Fritsch ist also während eines Berlin-Aufenthaltes gestorben, wurde nach Waren über­führt und hier begraben. Es wurde nur e i n Platz gekauft, für Mete 1917 wieder ein einzelner daneben. Darüber wundert man sich, Eheleute pflegen ein Doppelgrab zu kaufen. Vielleicht ist es so gewesen, daß Fritsch neben seine 1907 beerdigte Schwester gebettet wurde. Mete, so viel jünger als er, gab sich wohl noch Zeit. Das Kirchenbuch von St. Marien bestätigt: "Karl Emil Otto Fritsch - Prof. Dr. ing. - Wohnung in Berlin und hier - am 29. Januar 1838 geboren - gestorben am 31. August 1915 in Berlin - im Alter von 77 Jahren, 7 Monaten, 17 Tagen - an Herzschwäche - am 4. September 1915 begraben in Waren - von Pastor Starck."i 52 Aber das Wundern hört noch nicht auf. Durch Nachfrage be Friedhofsgärtner Koth erfährt man: Ja, das Grab sei noch da, aber wo, wisse er

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