Heft 
(1992) 53
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wundert einen um so mehr, als der Dichter in seinem Letzten Willen gerade die Tochter in die kleine Nachlaßkommission berufen hatte, die über das Schicksal seiner ungedruckten Sachen mitentscheiden sollte. 43 Er bescheinigt ja Mete an anderer Stelle ein ganz entschiedenes schriftstellerisches Talent, scharfe Beob­achtungsgabe und natürlichen Ausdruck. 44 Ist es die Tragik dieser Zeit, die ver­langte, daß die Frau im Schatten des Mannes zu stehen habe? Auch Dorothea Schlegel hat ja Eigenes in die Shakespeare-Übersetzung eingebracht - und doch ihrem Mann den ganzen Nachruhm überlassen. Oder war es so, daß Mete Fon­tane kein Interesse an Frauenemanzipation hatte? Fritsch gibt einen anderen Grund an. Im Vorwort zu den Familienbriefen schreibt er: "Leider stand ihrer Einwilligung, die Herausgabe... auf alleinige Verantwortung zu übernehmen, ein Hindernis entgegen, das ihr unüberwindlich erschien: ihre Person spielt in diesen Briefen eine zu große Rolle..., als daß sie es über sich gewinnen konnte, sie vor der Öffentlichkeit zu vertreten." 45 Vielleicht war es so, denn an anderer Stelle, da, wo ihre eigene Person keine Rolle spielte, hat sie sich nicht gescheut, mit ihrem vollen Namen vor die Öffentlichkeit zu treten. Es ist das Büchlein "Von Toulouse nach Beeskow - Erinnerungen ihres Urgroßvaters" - das sie noch vor dem Erscheinen der Familienbriefe herausgab. 46 Schon sehr bald nach dem Tod der Mutter hatte Mete sich bei Paul Schlenther entschuldigt, daß sie ihm bei der Edition der Gesamtausgabe nicht genug Zuarbeit leisten könne. Neben ih­rem schlechten Gesundheitszustand sei es noch mehr die "Rücksicht auf Mama". Sie empfände die Pflicht, den "Lieblingswunsch" der Mutter mit besonderem Eifer zu erfüllen. 47 Welches war der Lieblingswunsch Frau Emilies gewesen? Geht man richtig in der Annahme, daß sie ihre eigene Familiengeschichte ge­druckt zu sehen wünschte? Emilie Fontane war eine geborene Rouanet, hatte also ebenso wie ihr Mann einen französischen Namen, und ihre Familie stamm­te wie die seine aus Südfrankreich. Ihr Großvater Jean Pierre Barthelemy Roua­net war in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts von Toulouse aufgebro­chen und hatte in Beeskow in der Mark Brandenburg eine neue Heimat gefun­den. Seine handschriftlichen Erinnerungen waren in Emilies Besitz. Das Manu­skript ihres Urgroßvaters druckfertig zu machen und im Verlag ihres Bruders Friedrich Fontane zu veröffentlichen, wurde Metes Aufgabe.

Es ist alles vorbei

Fünfzehn Jahre hat Mete Fontane als Frau Professor Fritsch in Waren gewohnt. Sie hat miterlebt, wie die Villenstraße eine richtige Straße wurde, wie zwischen der früheren Villa Zwick und Villa Meta die große Pension "Müritzhöhe" ent­stand, mit Gastwirtschaft und Tennisplatz, wie auch die Waldseite der Straße mit Villen bebaut wurde. 48 Dort wohnte nun der Sohn des Bildhauers Thomas, Paul Thomas, Landschaftsmaler, der ehemaligen Villa seines Vaters gegenüber. Mete erlebte, daß Waren Fremdenverkehrsort wurde, die Tannen der bevorzug­te Platz für Gästehäuser und Pensionen. Die Villenstraße, mit Chausseesplitt befestigt, bekam Gas-Straßenlaternen, auch in den Häusern ging die Zeit der Petroleumlampen zu Ende, es gab Wasser und Telefon. 49 So mag alles ein wenig leichter geworden sein. Für Mete aber nicht. Ehe und Reichtum haben es nicht vermocht, ihre psychosomatischen Beschwerden zu heilen. Was in den Briefen des Vaters über Jahre hinweg immer wieder genannt worden war: Milz, Galle und Leber, Erbrechen, Schlaflosigkeit und Migräne, Angstzustände, gastrische Verstimmungen, "Nervenpleite" - das hat sie wohl bis zuletzt ertragen müssen.

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