SCHRIFTSTELLER DER GEGENWART ÜBER THEODOR FONTANE
Franz Fabian, Neufahrland Immer wieder Fontane
Es begann mit den Balladen und Gedichten. Das lange Gedicht mit dem Titel Havelland, das in einem meiner Schullesebücher stand, interessierte mich, der ich in der Neumark aufwuchs, damals wenig. Aber die Ballade vom alten Rib- beck blieb haften. Als ich 1941-43 in Rathenow in Garnison war, fuhr ich häufig zum Wochenendurlaub nach Berlin, wo ich seit meinem 18. Lebensjahr ein Studium der Malerei und Kunstgeschichte aufgenommen hatte. Da die wenigen Fernzüge in der Kriegszeit von Wochenendurlaubern nur beschränkt benutzt werden durften, reisten wir mit der Kleinbahn, "Pauline" genannt (nach 1945 demontiert), von Rathenow nach Nauen, wo wir in die S-Bahn umstiegen. Die Kleinbahn hielt auf zahlreichen Dörfern geraume Zeit, da Milchkannen u.a. landwirtschaftliche Produkte geladen wurden. So auch in Ribbeck, wo ich nun auf diese Weise mit einem Schauplatz Fontanescher Dichtung konfrontiert wurde. Als ich mehr als 40 Jahre später für mein zweites Havellandbuch dann "Die Geschichte vom alten Birnbaum" 1 schrieb und des öfteren in Ribbeck weilte, erinnerte ich mich jener Aufenthalte auf dem Ribbecker Bahnhof, wo wir uns Brause kauften und beim Anblick der Dorfkirche Fontanes Ballade aufsagten.
In Rathenow sah ich 1943 auch den unter der Regie von Gustav Gründgens entstandenen Film "Der Schritt vom Wege", nach Fontanes Effi Briest, mit Marianne Hoppe und Karl Ludwig Diehl in den Hauptrollen, die meinem Empfinden nach beste Fontane-Verfilmung bis auf den heutigen Tag. 2 So kam ich dazu, nun den Roman zu lesen. Als ich das zweite Mal Effi Briest las, geschah dies in britischer Kriegsgefangenschaft in Ägypten. Dort las ich auch die Kriminalgeschichten Quitt und Unterm Birnbaum sowie die Romane Irrungen, Wirrungen und Frau Jenny Treibei, die mir die lange vermißte Atmosphäre Berlins in unsere Zeltstadt am Suez-Kanal brachten. Wenige Tage nach meiner Rückkehr aus der Gefangenschaft 1947 bekam ich von einer Freundin die im Atlantis-Verlag erschienene Auswahlausgabe der Wanderungen durch die Mark Brandenburg geschenkt, die ich auch heute noch immer wieder wegen der 121 schönen Tiefdruckfotos von Martin Hürlimann u.a. zur Hand nehme. Durch diesen Band angeregt, erwarb ich bald eine vollständige Ausgabe der Wanderungen.
Da die Beschäftigung mit Geschichte, dank einem hervorragenden und geliebten Geschichtslehrer, Dr. Gerhard Köster, zu lebenslangem Interesse und Bildungsdrang führte, begann ich mich in meiner schriftstellerischen Arbeit mit historischen Themen zu befassen, wobei das Hauptanliegen der brandenbur- gisch-preußischen Geschichte galt. Dabei kam ich ständig mit Fontane in Berührung. Ich begann, über zahlreiche Antiquariate Bücher zur brandenburgisch- preußischen Geschichte und Kulturgeschichte zu sammeln und gleichermaßen Literatur von und über Theodor Fontane. Die zahlreichen Recherchen für meine Bücher führten mich an viele Orte, die Fontane vor mehr als 100 Jahren besucht hatte und über die ich nun aus der Sicht meiner Zeit schrieb.
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