Heft 
(1992) 53
Seite
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REZENSIONEN

Stefan Wolters: Lektürehilfen. Theodor Fontane Frau fenny Treibei. - Stuttgart: Emst Klett Verlag für Wissen und Bildung 1989.124 S.

(Rez.: Heinz Kühn, Potsdam)

Im Klett-Katalog 1992 sind vier Editionen für den Literaturunterricht von Wer­ken Theodor Fontanes angegeben: Effi Briest, Frau Jenny Treibei, Irrungen, Wirrun­gen und Mathilde Möhring. Diese Editionen enthalten die Werktexte und dazu Materialien von Th. Fontane, seinen Zeitgenossen und Autoren unserer Tage - an sich eine brauchbare Grundlage für Schüler, die sich über den Text und darüber hinaus informieren sollen oder wollen.

Dennoch hat es der Ernst Klett Verlag für notwendig erachtet, über Text und Materialien hinaus zunächst zu Frau Jenny Treibei eine Lektürehilfe herauszuge­ben. Mit diesen Hilfen sollen die Schüler besser "Literatur verstehen und inter­pretieren" können (letzte Umschlagseite); sie wollen nicht Lektüre ersetzen, son­dern beim Rekapitulieren der literarischen Texte und der Problem- und Figuren­sicht helfen und einen Überblick über künstlerische Mittel zur Verfügung stel­len.

Schüler unserer Tage bedürfen dieser Hilfe; denn Th. Fontanes Roman, der im ausgehenden 19. Jahrhundert in bürgerlichen Kreisen spielt, ist infolge der ironi­schen Erzählhaltung des Autors, der anspruchsvollen Figurensprache (Dialoge) und der gesellschaftskritischen Sicht über eine vergangene Zeit nicht gerade leicht zu lesen. Der Verfasser der Lesehilfen zeigt Verständnis für diese Situation und ist mit Erfolg bemüht, Brücken zwischen Werk und Leser zugunsten eines tieferen Eindringens in die gestellte Problematik und die ausgereifte Erzähl­kunst Fontanes zu schlagen. Das gelang, weil die Lektürehilfen "verständlich geschrieben, klar strukturiert, übersichtlich gestaltet" wurden (ebd.). Der Auf­bau der 124 Seiten umfassenden Lesehilfe entspricht ihrem Anliegen.

Das erste Drittel ist der Wiedergabe der Handlung des Romans gewidmet, das zweite wesentlichen thematischen Aspekten und Personen, während das letzte Drittel den künstlerischen Mitteln des Autors und einigen literaturtheoretischen Aspekten Vorbehalten bleibt.

In den Mittelpunkt stellt der Verfasser einen durchaus aktuellen Grundgedan­ken. An Frau Jenny Treibel soll untersucht werden, "wie sich die damalige bür­gerliche Welt im Bewußtsein des Autors Fontane und seiner Figuren abbildet und welche Positionen Autor und Figuren jeweils zur gesellschaftlichen Wirk­lichkeit einnehmen". 1 Es kann nicht die Aufgabe einer Rezension von Lektüre­hilfen in den Fontane-Blättern sein, diese auf ihre Brauchbarkeit unter schuli­schem Aspekt zu besprechen. Vielmehr ist festzustellen, inwieweit zu Fontanes Werk Zugang und für die Lektüre seines Romans Verständnis geschaffen wer­den. Dennoch muß auf eine Problematik hingewiesen werden, die das Lesen des Buches in der Schule und darüber hinaus den Autor Fontane und sein Werk betrifft.

Verführen solche Lektürehilfen dazu, die eigentliche Lektüre zu "ersetzen"? Es ist in der Praxis wohl so, daß diese Gefahr nie ganz auszuschließen ist. Schüler,

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