Heft 
(1992) 53
Seite
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nicht seine Progressivität zu stark eingeschränkt wird, ganz abgesehen von der Reduktion der nicht zahlreichen fortschrittlichen Traditionen in der deutschen Literatur. Dennoch verdient die radikale Untersuchung Anerkennung und Auf­merksamkeit, zumal es die vorstoßende Arbeit einer jungen Autorin (Jg. 1965) ist und zumal sie auch das Ziel verfolgt, mit Hilfe der Literatur und der Wissen­schaft zur Überwindung daseinsbeengender Mechanismen und Zwänge in der Realität beizutragen. Der moderne Kapitalismus als Gegenstand der Kritik wird zwar kaum direkt benannt, - es ist meist von "patriarchaler Gesellschaft" und "paternalistischen Strukturen" die Rede -, aber die systemkritischen Bemerkun­gen, z.B. über die "Freiheit des Marktes" (S. 117) als Form der Systembindung oder über die Verfeinerung des "Gruppenzwanges" (S. 129) sind eindeutig.

Anmerkungen

1 Vgl. dazu Joachim Biener: Zur Aneignung von Fontanes Epik durch Film und Fernse­hen, in FB, Heft 32 1981, S. 713ff.

Die filmische Adaption von e L´Adulter n durch das Fernsehen der DDR mit Kurt Böw als van der Straaten und die großartige Verfilmung von Frau Jenny Treibli für die ARD mit Maria Schell und Emst Jacobi unter der Regie von Franz Josef Wild entstanden erst später. Für die Weihnachten 1982 gesendete Version von Fontanes komödischem Roman hatte Walter Jens die Vorlage unter Einbeziehung späterer gesellschaftlicher Erfahrungen produktiv bearbeitet.

2 In der Sicht der Nebenfiguren knüpft Susanne Konrad an einen Aufsatz des französi­schen Germanisten Robert Minder an: Über eine Randfigur bei Fontane, in R.M.: Dich­ter in der Gesellschaft, suhrkamp taschenbuch 33 Frankfurt/M., 1972, S. 159ff.

Vgl. dazu die Rezension in FB, Heft 32, S. 733ff.

3 Diese Sicht der Gestalt der Käthe von Sellenthin wurde von Christian Grawe in FB, Heft 33 1982, S. 84ff., vorbereitet. Der Beitrag Grawes ist allerdings von Susanne Konrad nicht zur Kenntnis genommen worden.

4 Vgl. dazu: Andreas Bertschinger "Hermann Brochs Pasenow' - ein künstlicher Fonta­ne-Roman? Zur Epochenstruktur von Wilhelminismus und Zwischenkriegszeit". - Zürich und München: Artemis Verlag 1982. Eine Rezension darüber findet sich in FB, Heft 37/ 1984, S. 491 ff.

Interpretationen. Fontanes Novellen und Romane.

Hrsg, von Christian Grawe. - Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1991. 304 S.

(Rez.: Peter Gör lieh, Potsdam)

Dem Rezensenten liegt ein kleines Reclam-Bändchen vor, herausgegeben von Christian Grawe unter dem Titel "Interpretationen. Fontanes Novellen und Ro­mane", das beim Lesen ein ganzes Bündel von Gefühlen wachrief. Die einzelnen Eindrücke lassen sich wohl am besten mit den Begriffen bezeichnen: Interesse, Freude, ja Spannung und nicht zuletzt Spaß beim Lesen der Beiträge.

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