Heft 
(1992) 53
Seite
119
Einzelbild herunterladen

dem Hintergrund der Dimension des Themas in der europäischen Literatur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

P. I. Anderson konzentriert seine Betrachtungen zu Fontanes Altersroman Der Stechlin auf die Quellenproblematik. Aus den Quellen des Romans erfolgt seine Ableitung als "Panoptikum des Zeitromans" (S. 259). Anderson plädiert für eine notwendige "soziopolitische Interpretation" (S. 253) und die Aufarbeitung des so diffizilen Verhältnisses von Antisemitismus und Antikapitalismus während der Entstehungsgeschichte des Romans. Der Verf. erbringt in diesem Zusam­menhang sehr originelle Detailbeobachtungen und auch Wertungen, die die Dis­kussion um dieses Werk erneut beleben könnten.

Den Band beschließt H. Aust mit anregenden Äußerungen zum nachgelassenen Romantext Mathilde Möhring. Dezidiert verweist der Verf. auf den Fragmentcha­rakter des Textes und daraus herleitende Folgerungen für die Interpretation. Als Eigenart des Romans wird dessen Eindeutigkeit und Bestimmtheit verifiziert. Grundbegriff der Interpretation des Romans durch Aust ist das Wort "Berech­nen". Der Begriff des Berechnens wird an den Figuren, vornehmlich natürlich Mathilde Möhring, und deren Typik konkretisiert. Als besonders interessant zeigt sich für den Rezensenten der Exkurs zu Fontane und Nietzsche als nicht zu unterschätzendes Moment europäischer kultureller Gleichzeitigkeit (S. 280f.).

Das Resümee mit Blick auf den Band ist klar und eindeutig. Für alle, die sich mit Fontane und dessen erzählerischem Werk beschäftigen, wird dieses Buch eine unverzichtbare Hilfe sein und eine Vielzahl von Anregungen vermitteln. Dieses Urteil wird durch einen instruktiven Anhang, bestehend aus einer durch­dachten Auswahlbibliographie und biographische Anmerkungen zu den Auto­ren des Bandes, noch unterstrichen.

Christian Graf von Krockow: Fahrten durch die Mark Brandenburg. Wege in unsere Geschichte. - Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1991. 351 S.

(Rez.: Albert Burkhardt, Berlin)

Seit der Öffnung und Beseitigung der innerdeutschen Grenze im November 1989 strömen Besucher aus Westberlin und Westdeutschland auch in die nun­mehr frei zugänglichen Gebiete rund um Berlin. Dazu erscheinen immer neue Text- und Bildbände über die Mark Brandenburg, ihre Zahl ist mittler­weile Legion. Viele Autoren knüpfen mehr oder weniger direkt an Theodor Fontanes Darstellungen von Land und Leuten in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg und in den Romanen an, das ist nur natürlich. Aus der Masse dieser Bücher ragt das vorliegende heraus, versteht es doch der Verf. ausdrücklich als "Huldigung" an Fontane, denn der Dichter habe "uns mit den Wäldern und Seen, mit Städten und Dörfern, mit Kirchen, Burgen und Schlössern, ganz besonders aber mit den Geschlechtern, den Menschen ver­traut gemacht, die dieses Land prägten und von ihm geprägt worden sind (S. 9f Vorwort). So wird Krockow denn auch nicht müde, Fontane zu zitie-