Theodor Fontane: Zwei Post-Stationen. Faksimile der Handschrift. Hrsg, von Jochen Meyer. - Marbach am Neckar 1991 (= Marbacher Schriften. 34). 64 S.
(Rez.: Helmuth Nürnberger, Hamburg)
Eine geglückte Überraschung ist anzuzeigen, das Erscheinen einer bisher ganz unbekannten Erzählung des jungen Fontane: Zwei Post-Stationen heißt das Werk- chen, das vor knapp 150 Jahren vom Autor an die Redaktion des "Morgenblatts für gebildete Leser" eingesandt worden sein dürfte und "vor einigen Jahren schon", wie das Nachwort zur nunmehr erfolgten Publikation in der Reihe der "Marbacher Schriften" berichtet, von Ursula Ackermann beim Katalogisieren zumeist anonymer Manuskripte im Cotta-Archiv des Deutschen Literaturarchivs aufgefunden wurde. Bei allem, was mit der Post zusammenhängt, so lernen wir ein weiteres Mal, geht's offenbar nicht so schnell, aber nunmehr besteht vermehrt Anlaß zu Freude und Dank, handelt es sich doch um eine buchkünstlerisch liebevoll betreute, sorgfältige Edition. Geschmückt mit der 1843 in Dresden entstandenen Kreidezeichnung des jungen Fontane von Hermann Kersting, bietet sie zunächst das Faksimile der eigenhändigen Reinschrift des Manuskripts, sodann die gewissenhafte Transkription des Textes, einen ausführlichen Kommentar und ein schönes Nachwort von Jochen Meyer.
Erzählprosa des jüngeren Fontane ist rar. Zwischen der ersten überlieferten Erzählung Geschwisterliebe (erschienen 1839 im "Berliner Figaro") und seinen Beiträgen für den von Franz Kugler und ihm selbst besorgten ersten Jahrgang der "Argo" 1854 (Tuch und Locke, James Monmouth, Goldene Hochzeit) klaffte bisher eine 15 Jahre umfassende Lücke. Zwar vermitteln uns die Korrespondenzen für die "Eisenbahn" und andere Blätter, das John Prince- Manuskript und die Jugendbriefe eine recht gute Kenntnis des Stils, den Fontane damals schrieb. Aber die fiktive Prosa dieser Zeit, vor allem der angeblich an unbekanntem Ort gedruckte Roman Du hast recht getan ist verloren oder verschollen. Mit den Zwei Post- Stationen kennen wir nun einen Text, der, wie der Herausgeber wohl zutreffend vermutet, um 1845 entstanden sein dürfte (nach meinem Gefühl noch eher früher als später).
Eine präzise Datierung ist auf Grund der bisher bekannten Quellen nicht möglich, denn die Korrespondenz mit dem Redakteur des "Morgenblatts" Hermann Hauff, die mutmaßlich 1843 einsetzte, ist erst ab 1847 erhalten. Nur aus dem Text selbst, seinem "Zitatenputz, seinen Anspielungen, Kalauern und Geist- reichigkeiten" (S. 54) sowie aus dem Duktus der Handschrift konnte Meyer Schlüsse ziehen.
Hinweise zur Entstehungszeit enthalten im weiteren Sinne auch die Äußerungen über Preußen und den Un(-Geist) der Restaurationszeit. Der alte Fontane, der in der Autobiographie auch über die politischen Anschauungen seiner Jugend einen mildernden Schleier warf, hat sich in Von Zwanzig bis Dreißig selbst verspottet: "Daß die Freiheit noch nicht da war, machte mich weiter nicht tief unglücklich, ja vielleicht war es ein Glück für mich, ich hätte sonst nicht nach ihr rufen können." Die Reflexionen unseres Erzählers in der kalten Passagierstube der Poststation offenbaren in der Tat noch kein tieferes Leiden. Ich... hüllte mich... fester in meinen Mantel" (das ist eine Lieblingsgebärde des jungen Fontane, wie er gesehen werden will, so steht er auch "wie der Sieger von Marengo 1844 am Bug des Schiffes, das ihn nach England trägt, und zitiert Byron) und begann aus 121